Newsletter No. 64 (DE)

Schadensersatzrecht: Rechtsvergleich Hongkong / Thailand / Deutschland

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I. Einführung

 

Besonders im internationalen Vertragsrecht ist die Schadensregulierung im Falle des Schadenseintritts eine wichtige Größe, die nicht selten den Ausschlag
über den tatsächlichen Gewinn eines Geschäfts und dessen Abwicklung gibt.

Weltweit sind dabei die beiden maßgeblichen Ansätze des Common Law und des Civil Law hervorzuheben. Das angelsächsische Recht des Common Law ist überwiegend als „Recht des Einzelfalles“ (Case Law) mit Bindungswirkung für weitere Sachverhalte ähnlicher Art ausgestaltet. Nicht nur in Großbritannien und den USA, sondern  auch im asiatischen Raum (z.B. Hongkong) hat das Common Law aufgrund historischer Zusammenhänge überwiegenden Einzug in die lokalen Rechtssysteme gehalten. Auf der anderen Seite steht das vorwiegend in Kontinentaleuropa entwickelte kodifizierte Recht des Civil Law.

Das kodifizierte Recht findet sich im Wesentlichen in den großen Rechtsordnungen Europas (außer Großbritannien und Irlands), in einigen Ländern des Orients, im lateinamerikanischen Raum sowie auch in Thailand, Japan, Taiwan und der Volksrepublik China.

Im angelsächsischen Recht existieren viele verschiedene (typisierte) Schadensersatzarten. Der Zuspruch von Schadensersatz erfolgt zumeist nicht allein
durch den Richter, sondern zum Teil auch durch eine aus Laien bestehende und deshalb oft unkalkulierbare Jury. Dagegen kennt zum Beispiel das deutsche Recht im Wesentlichen nur den in § 249 BGB verankerten Grundsatz der Naturalrestitution. Dieser Grundsatz besagt, dass der gleiche wirtschaftliche
Zustand herbeigeführt werden soll, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, wobei die hypothetische Weiterentwicklung des früheren Zustands zu
berücksichtigen ist. Grundsätzlich bedeutet dies also, dass sowohl das negative Interesse (Schadenswiedergutmachung) als auch der entgangene Gewinn
(positives Interesse) ersatzfähig sind. Problematisch ist jedoch, dass der Geschädigte seinen Schaden auch beweisen muss. Dies ist in Fällen des entgangenen Gewinns zumeist schwierig, da hier auf eine hypothetische Entwicklung abgestellt werden muss.

Im internationalen Bereich haben sich weitestgehend die typisierten Schadensersatzformen des angelsächsischen Rechts durchgesetzt. Selbst das (kodifizierte) UN-Kaufrecht (Convention on Contracts for the International Sale of Goods = CISG), das für viele leistungsstarke Wirtschafts- und Exportnationen 1 mittlerweile Anwendung findet, sieht in den Art. 74 ff. CISG mehrere Typisierungen vor (z.B. Kappungsgrenze des Art. 74; Schadensberechnungsgrundsätze Art. 75f.). Dies lässt, zumindest auf den ersten Blick, eher eine Anlehnung an die angelsächsische Vorgehensweise als an die abstrakte Regelungsidee des kodifizierten Rechts erkennen.

 

II. Vorteile des pauschalierten Schadensersatzes (Liquidated Damages)

 

Wie bereits betont, hat sich im internationalen Vertragsrecht im Wesentlichen eine typisierende Vereinbarung hinsichtlich des Eintritts und vor allem der
Berechnung des Schadensersatzes durchgesetzt. Eine Klausel hinsichtlich pauschalierten Schadensersatzes (Liquidated Damages Clause) hat dabei den
Vorteil, dass bereits im Vorfeld beide Vertragsparteien die im Fall des Schadenseintritts entstehende Schadensforderung kennen.

In bestimmten Wirtschaftszweigen ist die tatsächliche Berechenbarkeit eines möglichen Schadensersatzes insbesondere für die Leistungserbringung „überlebensnotwendig“. Die Ungewissheit, ob im Schadensfalle gegebenenfalls horrende Schadensersatzzahlungen auf den Leistungserbringer zukommen, kann einen ordentlichen Geschäftsbetrieb extrem behindern bzw. unmöglich machen.

Andererseits kann aber auch der Leistungsempfänger von einer pauschalierten Schadensersatzregelung profitieren. So bekommt er zum einen ein wirksames Druckmittel an die Hand, welches die (rechtzeitige) Leistungserbringung gewährleisten kann, ohne den Geschäftsbetrieb des Leistungserbringers zu behindern. Andererseits kann im Falle des Schadenseintritts (zum Beispiel bei Verzugsschäden) bereits im Vorfeld der zu erhaltende Schadensersatz quantifiziert werden.

Vor allem in der Baubranche, der schlüsselfertigen Erstellung von Anlagen aller Art (internationaler Anlagenbau, „Turnkey“-Projekte), aber auch im
Arbeitsrecht (pauschalierte Abfindungen) und Franchiserecht (breach of businessplan) hat sich der pauschalierte Schadensersatz aufgrund dieser Vorteile
durchgesetzt. Der pauschalierte Schadensersatz ist damit gerade in Branchen, in denen aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ein
Interesse der Vertragsparteien besteht, den Schadensersatz bereits im Vorfeld kalkulierbar zu machen, weit verbreitet.
Durch kalkulierbare Beträge kann auch der Leistungserbringer wirkungsvoller zur best- und schnellstmöglichen Vertragserfüllung angehalten werden.

 

III. Wirksamkeitserfordernisse

Die Schadensersatzklausel, die in den jeweiligen (am besten ausschließlich in englischer Sprache abgefassten) Vertrag aufgenommen wird, muss gewisse
„Spielregeln“ erfüllen, um später nicht möglicherweise von einem lokalen Gericht, vor dem der pauschalierte Schadensersatz eingeklagt wird, für unwirksam erklärt zu werden:

 

1. Hongkong
Hongkong weist als ehemalige britische Kolonie eine Rechtsordnung auf, die durch das Common Law geprägt ist. Insbesondere im Common Law ist peinlichst darauf zu achten, dass durch die gewählte Klausel keine Knebelungswirkung eintritt. Eine solche Knebelungswirkung wird bei sogenannten „excessive
amount clauses“ angenommen. Dies sind Vereinbarungen, bei denen vorab eine sehr hohe Schadensersatzsumme festgesetzt wird, welche höchstwahrscheinlich weit über dem tatsächlichen Betrag eines eventuell eintretenden Schadens liegt. Nach angelsächsischem Recht hätte eine solche Klausel Strafcharakter („punitive character“), was einer Vorabentscheidung über die sogenannten „punitive damages“ gleichkäme, welche im  ngelsächsischen Rechtsraum unzulässig ist, weil in diesem Punkt ausschließlich die Jury zur Entscheidung berufen ist (vgl. oben). Die vor allem in den USA gefürchteten „punitive damages“ entfalten aber für Hongkong keine durchgreifende Bedeutung. Strafzahlungen als Erziehungsinstrument sind eine ausschließlich US-amerikanische Ausprägung, die dem britischen Rechtsdenken als solchem fremd ist.

 

2. Thailand
In Thailand besteht grundsätzlich nicht die Gefahr, dass eine Vertragsklausel über die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes insgesamt für unwirksam erklärt wird. Vielmehr könnte hier lediglich eine aus Sicht des Gerichts notwendige Anpassung erfolgen. Zuständig für alle internationalen Verträge
ist ein zentrales, mit solchen Rechtsfragen ausschließlich zu befassendes Obergericht in Bangkok (Central Intellectual Property & International Trade Court). Der „Unfair Contract Terms Act“ findet weder für die oben erwähnten häufigen Praxisfälle im internationalen Anlagenbau, noch bei gewerblichen Lieferverträgen oder im Arbeitsrecht Anwendung, da dieser nach zutreffender Auffassung thailändischer Gerichte ausschließlich Konsumenten schützt.

 

3. Deutschland
In Deutschland ist es ebenfalls grundsätzlich möglich, international gängige Schadensersatzpauschalierungen zu vereinbaren. Daneben kennt das deutsche
Recht zusätzlich das spezialgesetzliche Instrument der Vertragsstrafe (§§ 339 ff. BGB), sowie das Abfindungsrecht (mit steuerlichen Besonderheiten), welches
im Arbeitsrecht durch Rechtsfortbildung und Rechtsprechung entstanden ist. Trotz dieses vorhandenen eigenen Systems der Vertragsstrafen ist die Vereinbarung international gängiger Schadensersatzklauseln auch in Deutschland vorteilhaft, da so eine Konformität der weltweiten Unternehmungen mit entsprechender Kalkulationssicherheit (vgl. oben) und zentral gesteuertem Risikomanagement besteht. Für das deutsche Gerichtswesen ist zu beachten, dass der BGH als oberstes deutsches Zivilgericht (BGH 131, 356, zuvor auch in BGH RR  2000, 719) ausnahmsweise der englischen Rechtsauffassung folgte und exzessive individuell vereinbarte Schadenspauschalierungen insgesamt für unwirksam erklärt hat, mit der Folge, dass dann die Geltendmachung eines
Ersatzanspruchs auf einer solchen Grundlage vor deutschen Gerichten zur Gänze zum Scheitern verurteilt ist. Eine pauschalierte Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt regelmäßig den strengen Voraussetzungen des § 309 Nr. 5 BGB. So muss dem Schadensersatzpflichtigen z.B. der
Nachweis gestattet werden, dass entweder ein Schaden nicht eingetreten ist oder der tatsächliche Schaden geringer ist als der pauschalierte. Auch darf die
Pauschale nicht den gewöhnlich zu erwartenden Schaden übersteigen.

 

IV. Gestaltungsmöglichkeiten

Grundsätzlich können gemäß den Gesetzen von Hongkong, Thailand und Deutschland pauschalierte Schadensersatzzahlungen in jeweiligen Schadensklauseln individualvertraglich vereinbart werden, jedoch sollte von einer vorgefertigten Vereinbarung im AGBStil oder durch Vertragsannex Abstand
genommen werden. Diese Vorgehensweise würde z.B. nach deutschem Recht eine Inhaltskontrolle nach AGB-Recht auslösen, was zu einer Anwendung des§ 309 Nr. 5 BGB führen würde, welcher die Möglichkeiten des pauschalierten Schadensersatzes erheblich einschränkt. Selbst wenn ein Verbraucher nicht am
Vertrag beteiligt ist, wäre die Wertung des § 309 Nr. 5 BGB über § 307 BGB zu berücksichtigen. Als sog. „Generalnorm“ sieht diese Vorschrift vor, dass
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wenn sie wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus
der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Vorzugswürdig ist die im internationalen Rechtsverkehr vorherrschende Praxis, Pauschalierungsklauseln als integralen Vertragsbestandteil anhand der jeweiligen individuellen Parteivorgaben auszuhandeln.

 

1. Hongkong
Im Hongkonger Recht ist die Heranziehung gängiger Pauschalierungsklauseln zu empfehlen, welche im internationalen (englischen) Rechtsverkehr häufig verwendet und am besten von Anwälten den individuellen Bedürfnissen der jeweiligen Vertragspartner angepasst werden. Da diese Klauseln im Geschäftsverkehr erprobt sind, besteht keine Gefahr, sich der in unzähligen Präzedenzfällen des gesamten englischen Rechtsraumes entwickelten Kasuistik auszuliefern. Zwar sind so die Gestaltungsspielräume etwas eingeschränkt, dennoch sollte man der Rechtssicherheit Priorität vor im Einzelfall vielleicht verführerischen Ausgestaltungen einräumen, welche dann vor Gericht keinen Bestand haben. Zudem ist zu beachten, dass die Klauseln als solche hinreichend bestimmt sind und keinen (auch nicht im Entferntesten konstruierbaren) Strafcharakter haben.

 

2. Thailand
In Thailand besteht ein größerer Gestaltungsspielraum. Die Gefahr einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel droht hier kaum. Es
kann lediglich eine (möglichst zu vermeidende) Anpassung betreffend der Höhe des Schadensersatzes eintreten. In wichtigen Geschäftsbereichen, wie dem
Anlagenbau, wie auch bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen von internationalen Führungskräften sollte aber auch hier im Wesentlichen auf die international gängigen Klauseln zurückgegriffen werden. Auch hier gilt, dass eine einheitliche und zentrale Steuerung das gesamte Risikomanagement
erleichtert und beim ausländischen Vertragspartner als Vorteil der Vorlage und Verwendung vertrauter Regelungsstrukturen verbucht werden kann.

 

3. Deutschland
Nach deutschem Recht können einerseits pauschalierte Schadensersatzzahlungen vereinbart werden, welche den nicht zu vernachlässigenden Vorteil haben, dass sie dem meist erkennbaren Interesse der ausländischen Vertragspartner an einer vertrauten und international einheitlichen Regelung entsprechen.
Stattdessen kann aber auch unter Bezugnahme auf die §§ 339 ff. BGB der Weg einer gesetzlich geregelten Ausgestaltung in Form von Vertragsstrafen
gewählt werden. Im Arbeitsrecht (auch bei Führungskräften) besteht (aus Sicht des Arbeitgebers) gegebenenfalls ein Vorteil der Anwendung gebräuchlicher
deutscher Regelungen. Hier führt die Vornahme einer Pauschalierung nach internationalem Vorbild oftmals (aus Sichtdes Arbeitgebers) zu schlechteren Ergebnissen. Auch beschleunigt die Verwendung der deutschen Regelungen die Durchsetzung des Rechts vor deutschen Gerichten. So kommt es aufgrund des Zeitmoments zu für den Arbeitgeber oftmals noch günstigeren Ergebnissen. llerdings bergen Vertragsstrafen nach deutschem Recht auch die Gefahr, dass sie von Common-Law-Gerichten unter Umständen als „punitive damages clauses“ angesehen werden, mit der Folge, dass sie für unwirksam erklärt werden. Diese Gefahr wächst mit der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe.

Trotz dieses gewissen Restrisikos kann diese Art der Vertragsausgestaltung mit dem Vorteil weit geringerer Abfindungszahlungen im Arbeitsrecht ausnahmsweise der rechtssichereren Ausgestaltung durch Vereinbarung pauschalierter Schadensersatzzahlungen vorgezogen werden. Die gewisse Rechtsunsicherheit kann gegebenenfalls in Kauf genommen werden.

 

V. Abschließende Bewertung

Die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes unter Verwendung von aus dem englischen Recht übernommenen internationalen Vertragsrechtsklauseln ist auch für Unternehmungen in Hongkong und Thailand eine wichtige Hilfe zur Steuerung des weltweiten Risikomanagements. Insbesondere im Anlagenbau, der Baubranche und nicht zuletzt im Arbeitsrecht stellt eine dementsprechende professionelle Ausgestaltung der einzelnen Verträge ein unerlässliches Hilfsmittel dar, um in diesen Ländern erfolgreiche Geschäfte zu machen und beim Vertragspartner die Grundlagen vertrauensvoller und effizienter Zusammenarbeit zu setzen.

Oftmals wird auch aus Gründen kultureller Missverständnisse auf die direkte Regelung eines pauschalierten Schadensersatzes verzichtet. Aber insbesondere in Branchen, in denen das Zeitmoment von besonderer Wichtigkeit ist und eine vergleichsweise hohe Schadenswahrscheinlichkeit vorherrscht,
sollten bereits im Vorfeld alle notwendigen Regelungen gerichts- und länderfest vorgenommen werden. Der ausländische Vertragspartner wird dies verstehen, da letztendlich beide Seiten davon profitieren. Das Gelingen des Geschäfts und dessen zufriedenstellende Abwicklung hängen auch in geographisch und
kulturell zunächst fremden Umgebungen entscheidend von den vertraglichen Regelungen ab.

 

 

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