Newsletter Nr. 87 (DE) - Februar 2024

Die Ausstrahlungswirkung bei Arbeitnehmerentsendung im deutschen Sozialversicherungsrecht (8 Seiten)

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Beim Einsatz von Arbeitnehmern außerhalb Deutschlands stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Sozialversicherungspflicht in Deutschland weiterbesteht bzw. ob eine freiwillige Weiterversicherung in Deutschland möglich bzw. sinnvoll ist.

Zweck der Ausstrahlungswirkung

 

Arbeitnehmer unterliegen grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des Landes, in dem sie eine Beschäftigung tatsächlich ausüben. Als Ausnahme von diesem sog.  Territorialitätsprinzip (§ 3 SGB IV) regelt § 4 SGB IV die sog. Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrechts auf Beschäftigun­gen im Ausland.

 

Sind die Ausstrahlungsvoraussetzungen (§ 4 SGB IV) er­füllt, ist der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer in Deutschland wei­terhin sozialversicherungs- und beitrags­pflichtig, hat im Gegenzug aber auch die gleichen Leistungsansprüche wie bisher (Krankheitskosten, Unfall, Berufsunfähigkeit, Rente und weitere sozialversicherungs-rechtliche Ansprüche).

Die Vorschriften über die Ausstrahlung sind einheitlich für die Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung anzuwenden. unabhängig davon kann der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer daneben auch im Ausland sozial­versicherungspflichtig werden, sofern kein So­zial­versicherungs­abkommen für alle Zweige der Sozialversicherung (zur Vermeidung der doppelten Sozialversicherungspflicht) zwischen Deutschland und dem Entsendungsland besteht. (z.B. mit China)

Der wesentliche Zweck der Ausstrahlungswirkung be­steht in der Vermeidung von Nachteilen, die sich insbesondere aus fehlenden Beitragszei­ten durch die Arbeit im Ausland ergeben können. Durch die Ausstrahlung soll erreicht werden, dass auch der (kurzfristig) im Ausland beschäftigte Mitarbeiter dennoch umfassend sozialversichert bleibt, etwa bei einem Arbeitsunfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte in Thailand.

Voraussetzungen der Ausstrahlungswir­kung

 

Die Voraussetzungen der sozialversicherungs­rechtlichen Ausstrahlung ergeben sich aus § 4 SGB IV. (Stand Feb. 2024)

„(1)      Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

(2)        Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.

Voraussetzungen einer wirksamen Entsendung

 

1. Entsendung

 

Eine Entsendung setzt voraus, dass ein Arbeitnehmer von Deutschland aus ins Ausland auf Weisung eines in Deutschland ansässigen Arbeit­gebers versetzt wird, um dort eine Beschäfti­gung für diesen (deutschen) Arbeitgeber auszuüben.

2. Befristete Entsendung

 

Diese Entsendung muss befristet sein, entweder durch vertragliche Befristung oder durch die Eigenart der Beschäftigung. Eine Höchstgrenze für die zeitliche Befristung sieht das Gesetz nicht vor. Bei Auslandaufenthalten bis zu zwei Monaten ist eine Ausstrahlung bei der Entsendung im Regelfall gegeben. Schwer zu beurteilen und unter Umständen sehr problematisch wird eine (ungeplant verlängerte) Entsendung auf über 6 Monate.

3. (weiterhin) Aktives deutsches Beschäftigungs­verhältnis

 

Die Entsendung muss im Rahmen eines aktiven deutschen Beschäftigungsverhältnisses erfolgen.

Nach der Recht­sprechung des Bundessozialgerichts kommt es maßgebend darauf an, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt.[1] Dies bedeutet im Zusammenhang mit einer Entsendung,

  • dass das Arbeitsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber nicht ruhend gestellt ist,
  • dass der im Ausland beschäftigte Ar­beitnehmer organisatorisch in den Be­trieb des deutschen Arbeitge­bers eingegliedert bleibt und die we­sentlichen Elemente eines Beschäftigungs-verhältnisses erfüllt werden und
  • sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt weiterhin gegen den deutschen Arbeitgeber

Indizien für das Vorliegen eines in Deutschland (fort-) bestehenden Beschäftigungsverhältnisses

 

Wertvolle – wenn auch leider unverbindliche – Anhaltspunkte hierzu lassen sich aus der Gemeinsamen Verlautbarung des GKV-Spitzenverbandes der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung vom 18. März 2020 entnehmen.[2]

Insbesondere ist hier die Weisungsbefugnis im Arbeitsverhältnis als Kernelement der betrieblichen Eingliederung relevant. Verbleibt diese nachweislich beim entsendenden Arbeitgeber, ist das ein starkes Indiz für die fortbestehende betriebliche Eingliederung und damit für das Fortbestehen des deutschen Beschäftigungsverhältnisses.

Beispiel:  Der Monteur wird aus Deutschland für zehn Monate ins Ausland entsendet, um dort eine aus Deutschland exportierte Maschine aufzubauen. Obwohl der   Monteur ggf.  wegen der im Gastland notwendigen Arbeitserlaubnis auch einen lokalen Arbeitsvertrag mit einem lokalen Arbeitgeber hat, bleibt er de facto (auch wenn ggfs. nicht rechtlich) der Weisungsbefugnis seines deutschen Arbeitgebers unterworfen.

Weiterhin gilt als Indiz, dass der volle Arbeitsentgeltanspruch des Ar­beitnehmers gegen den deutschen Arbeit­geber besteht (sog. Indizwirkung der deutschen Gehaltsabrechnung). Das bedeu­tet, dass der ins Ausland entsandte Mit­arbeiter weiterhin in Deutschland auf der Gehaltsliste des entsendenden Unternehmens ge­führt werden muss und die Buchung der Per­sonalkosten in der Lohnbuchhaltung in Deutschland verbleibt.

Trägt der entsendende Arbeitgeber auch wirtschaftlich das (gesamte) Arbeitsentgelt, wird von den deutschen Versi­cherungsträgern grundsätzlich vermutet, dass eine Entsendung bzw. Ausstrahlungswir­kung vorliegt.[3]
Etwas anderes gilt in Fällen, in denen jegliche Inlandsintegration fehlt, etwa bei sog. Ortskräften, die eine Beschäftigung im Ausland für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber ausüben. Hier führt auch die über den entsendenden deutschen Arbeitgeber laufende Arbeitsentgeltabwicklung nicht zu einer Entsendung im Sinne der Ausstrahlung.[4]

Gehaltsüberweisung in verschiedenen Währungen und statistisches  Gehaltskonto unerheblich

Irrelevant ist der Umstand, dass die Gehaltsüberweisung durch Zahlung von Teilbeträ­gen, auch in ausländischer Währung, erfolgt, solange alle Zahlungen vom deutschen Unternehmen getragen werden. Darüber hinaus führt ein sog. statisti­sches Gehaltskonto im Ausland eben­falls nicht zur Ablehnung der Indizwirkung.

Relevante Prüfungspunkte des Vorliegens eines deutschen Beschäftigungsverhältnisses

 

Bei fehlender Indizwirkung werden die weite­ren Voraussetzungen für eine Entsen­dung nicht vermutet, sondern müssen gesondert überprüft werden.[5] Relevant sind hier v. a. folgende Konstellationen:

Interne Abrechnung der Personalkosten mit dem ausländischen Tochterunternehmen

Das gesamte Arbeitsentgelt wird vom deutschen Mutterunternehmen auf ein deutsches Konto des Arbeitnehmers ge­zahlt. Intern werden die Personalkosten je­doch mit dem aus­ländischen Tochterun­ternehm­en abgerechnet und jedenfalls teilweise erstattet. Dieses ausländische Unternehmen macht die lokalen Lohnkosten bei der Ge­winnermittlung als Betriebsausgabe steuer­lich geltend. Der Tochterfirma wird somit die Arbeitsleistung wirtschaft­lich zugerechnet. Es liegt daher grundsätzlich keine Ausstrahlung vor. Das hat zur Folge, dass der deutsche Arbeitnehmer dann NICHT versichert ist. Bei kurzzeitigen Entsendungen ist jedoch die Weiterbelastung an das Tochterunternehmen möglich, wenn der die Entsendedauer von 2 Monaten nicht überschritten wird und sich der Entgeltanspruch weiter ausschließlich gegen den entsendenden Arbeitgeber richtet.

Gesplittete Gehaltsabrechnungen

Ein im Inland vorliegendes aktives Ar­beits­verhältnis wird bei gesplitteten Ge­haltsabrechnungen (deutsches Unter­nehmen zahlt z. B 55 % des Gehalts und das ausländische Unternehmen 45 %, wobei beide Unternehmen jeweils ihren Teil steuerlich als Betriebsausgabe geltend machen) in der Re­gel abgelehnt. Entscheidend ist in dieser Konstellation je­doch, in welchem Betrieb der Arbeitnehmer stärker eingegliedert ist und für wen er tatsächlich (zumindest überwiegend) seine Ar­beitsleistung erbringt.

Rumpfarbeitsverhältnis nicht ausreichend

Schließlich reicht ein im Inland be­stehendes bloßes „Rumpfarbeitsverhält­nis“ nicht aus, um ein aktives deutsches Beschäftigungsverhältnis i. S. D. § 4 SGB IV zu begründen. Merkmale eines solchen Ar­beitsverhältnisses sind u. A. Abre­den über das Ruhen der Hauptpflichten hin­sichtlich Arbeitsleistung auf Seiten des Arbeit­nehmers und der Zahlung von Arbeitsentgelt auf Seiten des Arbeitgebers, bzw.  ein automatisches Wiederaufleben bei Rückkehr ins Inland.

Nur bei Vorliegen aller anderen Voraussetzungen der Ausstrahlungswirkung (Befristung, fortbe­stehendes Direktionsrecht des deutschen Unternehmens, Entsendung von Deutschland ins Ausland =weiterhin Schwerpunkt der Beschäfti­gung beim deutschen Unterneh­men) kann somit in den Fällen der gesplitte­ten Gehaltsabrechnung bzw. der fehlenden wirtschaftlichen Belastung des deutschen Unternehmens dennoch im Wege der Aus­strahlung die Sozialversicherungspflicht und Sozialversicherungsschutz in Deutschland bestehen.

Besonderheiten bei Entsendungen ohne vorhergehende Beschäftigung in Deutschland

Selbst bei einer Entsendung ohne vorherige Beschäftigung beim entsendenden Unternehmen in Deutschland (etwa bei Erwerbslosen oder Berufseinsteigern) kann eine Entsendung im Sinne der Ausstrahlung unter Umständen gegeben sein. Der Arbeitnehmer muss jedoch vor der Entsendung entweder überhaupt in Deutschland beschäftigt gewesen sein oder zumindest dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt haben, ansonsten entfiele bereits nach dem Wortsinn, das Entsenden als solches.[6]

Eine direkte Entsendung kann zudem nur dann vorliegen, wenn eine Vereinbarung oder wenigstens hinreichend plausible Perspektive für eine an die Entsendung anschließende Weiterbeschäftigung des Entsandten bei dem Unternehmen in Deutschland gegeben ist.

1. Vereinfachte Prüfung bei nur kurzzeitiger Entsendung

 

Die im Einzelfall komplexe Prüfung des wirtschaftlichen Arbeitgebers tritt bei kurzzeitigen Entsendungen, welche die Dauer von zwei Monaten nicht überschreiten in den Hintergrund. Hier ist in vereinfachter Prüfung von einer Entsendung auszugehen, wenn

  • die Entsendung die Dauer von insgesamt zwei Monaten nicht überschreitet, und
  • der Arbeitsentgeltanspruch des Arbeitnehmers sich ausschließlich gegen den in Deutschland ansässigen Arbeitgeber richtet.

Vorsicht ist bei „Ketteneinsätzen“ geboten. Bei einem erneuten kurzfristigen Einsatz des Arbeitnehmers in demselben Staat bei demselben verbundenen Unternehmen ist, auch bei Wahrung der obigen Voraussetzungen, nur dann eine Entsendung im Sinne der Ausstrahlung gegeben, wenn seit dem Ende der letzten kurzeitigen vorübergehenden Beschäftigung mindestens zwei Monate vergangen sind.[7]

2. Wirkung des lokalen Arbeitsvertrages

Ein lokaler Arbeitsvertrag mit dem aufnehmenden Unternehmen bei gleichzeitiger Ruhendstellung des Arbeitsvertrages in Deutschland schließt nach Angaben der Sozialversicherungsträger die Entsendung im Sinne der Ausstrahlung aus.

Das gilt selbst dann, wenn aus lokalen Vorschriften – etwa zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis – zwingend erforderlich ist einen lokalen Arbeitsvertrag abzuschließen.  Denn bei dieser Kombination muss laut den Sozialversicherungsträgern im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass durch den lokalen Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu dem im Ausland ansässigen Unternehmen verpflichtet wird und im Gegenzug ein Vergütungsanspruch eben diesem Unternehmen gegenüber entsteht.

Abweichend von dieser grundsätzlichen Wirkung gilt etwas anderes, wenn nur ein zusätzlicher lokaler Arbeitsvertrag besteht und die üblicherweise wechselseitigen Hauptpflichten aus dem lokalen Vertrag faktisch suspendiert sind. In diesem Fall muss das Weisungsrecht weiterhin allein beim entsendenden Unternehmen verbleiben, sowie auch die Arbeitsentgelttragung wirtschaftlich bei diesem Verbleiben. Davon ist dann auszugehen, wenn dieser lokale Vertrag nur abgeschlossen wurde, um ein Arbeitsvisum im Gastland zu erhalten.[8]

Problemfall: (Ungeplanter) Verlängerung des Aufenthalts über die 6 Monatsgrenze hinaus

 

Der besonders kritische Fall im Komplex Ausstrahlungswirkung ist der folgende in der Praxis nicht selten auftretende Fall: Ein Unternehmen beschäftigt in Deutschland einen Mitarbeiter. Im Wege der Entsendung in einem Drittland ohne Sozialversicherungsabkommen soll dieser Mitarbeiter vor Ort etwa den Aufbau einer neuen Maschine beaufsichtigen und koordinieren. Geplant und vereinbart ist, dass die Entsendung weniger als 6 Monate dauern soll. Die Kosten für den Mitarbeiter werden weiter vom Unternehmen getragen und nicht weiterberechnet und sämtliche Sozialversicherungsbeiträge werden ordnungsgemäß abgeführt – gerade um den Verbleib des Mitarbeiters in der Sozialversicherung zu gewährleisten.

Noch vor Ablauf der sechs Monate stellt sich aber heraus, dass der Aufbau sich aus nicht vorhersehbaren Gründen verzögert und nun länger als 6 Monate dauern wird. Nach den weit überwiegenden Regelungen der nationalen Steuergesetze und den diese überlappenden Doppelbesteuerungsabkommen ist spätestens nach 6 Monaten eine Montage-Betriebsstätte entstanden – damit sind alle Kosten (und Erträge) bei der ausländischen Betriebsstätte zu erfassen und der Betriebsstättengewinn dann ausschließlich im Ausland zu versteuern.

Das hat nun zur Folge, dass nunmehr aus steuerlichen Gründen gerade alle Lohnkosten auch rückwirkend an diese Betriebsstätte weiterbelastet, werden müssen, sodass das entsendende Unternehmen in Deutschland gerade nicht mehr wirtschaftlicher Arbeitgeber bleiben kann.

In diesem Fall kann keine pauschale Antwort auf einen etwaigen Verbleib in der Sozialversicherung gegeben werden, da mehrere Versicherungsträger unabhängige Einzelfallentscheidung zu treffen haben.

Die Entscheidung über das Vorliegen einer Entsendung im Rahmen der Ausstrahlung nach § 4 SGB IV trifft in Zweifelsfällen die zuständige Einzugsstelle (Krankenkasse) für alle Zweige der deutschen Sozialversicherung (§ 28h Abs. 2 SGB IV) und ist mithin erster Ansprechpartner. Bei nicht gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten entscheidet die Krankenkasse, an die die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet werden. Für den Zweig der gesetzlichen Unfallversicherung ist diese Beurteilung vom zuständigen Unfallversicherungsträger vorzunehmen.

Daher ist es von Wichtigkeit, dass sobald ein solcher Fall absehbar ist, fachkundiger juristischer Rat eingeholt wird, um die Situation bewerten zu können und gegebenenfalls die weiteren Schritte einzuleiten. In jedem Fall muss vermieden werden, dass ein unbeabsichtigtes Herausfallen aus der Sozialversicherung eintritt und der Arbeitnehmer nunmehr nicht versichert wäre. Unter Umständen können hier für den Arbeitgeber etwa bei einem nicht versicherten Arbeitsunfall auch erhebliche Schadenersatzpflichten eintreten.

Sonderfall: Beschäftigung für das entsendende und das aufnehmende Unternehmen

 

Unter Umständen kann es auch vorkommen, dass sowohl mit dem entsendenden als auch mit dem aufnehmenden Unternehmen jeweils ein eigenes, abgrenzbares, Beschäftigungsverhältnis besteht. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer in beide Unternehmen organisatorisch eingegliedert ist und gegen beide Unternehmen ein Arbeitsentgeltanspruch besteht und beide Unternehmen für das mit ihnen bestehende Arbeitsverhältnis jeweils als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen sind.

Werden lediglich Sachbezüge wie etwa Wohnung oder der PKW zur Verfügung gestellt, ohne dass hierfür eine arbeitsvertragliche Grundlage besteht, liegt eine Mehrfachbeschäftigung im Regelfall aber nicht vor.[9]

Beendigung der Ausstrahlungs­wirkung

 

Die Ausstrahlungswirkung endet mit dem Fortfall einer der vorgenannten Voraus-setzungen, insbesondere wenn der Schwerpunkt der Beschäftigung nicht mehr beim deutschen Unternehmen gesehen werden kann bzw. mit Zeitablauf der Befris­tung.

Am häufigsten sind Fälle, in denen ein zu­nächst befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbe­fristetes umgewandelt wird oder der (deutsche) Arbeitgeber gewechselt wird.

Empfehlenswerte Vorgehensweise

 

Es bleibt auf Grund der offenen Formulierungen und den rechtlich nicht verbindlichen Aussagen aus der Gemeinsamen Verlautbarung die Ausstrahlungswirkung stets eine eher schwer prognostizierbare Einzelfallentscheidung. Daher sollten Fragen der Sozialversicherung mit dem Arbeitnehmer so früh wie möglich vor Beginn der Entsendung besprochen werden. Wird die Ausstrahlung gewünscht, müssen die Verträge entsprechend gestaltet werden. Es ist auch sehr ratsam, dies mit dem Sozialversicherungsträger im Vorfeld zu klären, um spätere unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Das gleiche gilt für die Berufsgenossenschaften. Manche Berufsgenossenschaften haben für den Fall, dass diese Ausstrahlung nicht greift besondere zusätzliche Auslandsversicherungen eingerichtet. Da jedoch nicht alle Berufsgenossenschaften eine solche eingerichtet haben und auch die jeweils eingerichteten Auslandsversicherungen nicht deckungsgleich sind, ist es ratsam vor der angedachten Entsendung bei der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaft anzufragen, ob eine private Zusatzversicherung nötig ist.

Wird die Ausstrahlung nicht gewünscht (was vor allem bei längerfristigen Entsendungen der Fall sein kann), ist dies bei einer entsprechenden vertraglichen Regelung möglich.

In Anbetracht der in Deutschland relativ ho­hen Beitragsbelastung und der immer geringe­ren zu erwartenden Leistungen ist die Vermeidung der Ausstrahlungswirkung durch die Vereinbarung einer gesplitteten Ge­haltszahlung und Abrechnung der Personal­kosten auf einer separaten Gehaltsliste im Ausland (ohne Rückbelastung) ggf. in Ver­bindung mit der Abmeldung aus der Sozialversicherung in Deutsch­land für die Zeit des Auslandsaufenthaltes ggf.  die wirtschaftlich sinnvollere Variante. Folge hiervon wäre ein Ent­fallen der Beitragszahlungspflicht in Deutschland.

Die beim Arbeitgeber gesparten Beiträge kön­nen genutzt werden, um Beiträge für pri­vate Versicherungen zu bezahlen:

  • Private weltweit gültige (Familien)-Aus­landskrankenversicherung (ggf. als Fir­men-Umbrella Vertrag ausgestaltet)
  • Private weltweit gültige (Familien-) Haft­pflichtversicherung
  • Weltweit gültige Unfallversicherung
  • Berufsunfähigkeitsversicherung
  • Private Rentenversicherung (bzw. freiwil­lige Weiterzahlung in die gesetzli­che Versicherung möglich)
  • Private Arbeitslosenversicherung (bzw. freiwillige Weiterzahlung in die gesetzli­che Versicherung möglich)

Im Regelfall ist die Summe der Kosten gerin­ger als der Arbeitgeberanteil, bei häufig besseren Leistungen. Bei Rückkehr nach Deutschland und Eingliederung in den deutschen Betrieb kann die deutsche Sozialversicherung wie­der aufleben. Hierfür kann mit einer Anwartschaft Vorsorge getragen werden, sofern die Sozialversicherung nicht automatisch wieder auflebt.

 

Zu beachten sind allerdings auch die Folgen etwaiger Unterbrechungszeiten. Dies gilt insbesondere für ältere Arbeitgeber. Um diese zu verhindern, ist es auch möglich, freiwillig im Sozialversicherungssystem zu verbleiben.

 

Dies muss jedoch, soweit keine Ausstrahlung vorliegt, vor Ausreise des Mitarbeiters beantragt werden. Die bloße Fortzahlung der Beiträge reicht NICHT aus, um den Sozialversicherungsanspruch zu erhalten. Es ist daher wichtig, das Vorliegen einer Ausstrahlung vor Ausreise des Mitarbeiters eingehend zu prüfen und ggf. mit den Sozialversicherungsbehörden abzustimmen, um die wirtschaftlich beste Lösung für den Mitarbeiter zu ermitteln und sozial-versicherungs-rechtliche Nachteile für den Mitarbeiter zu vermeiden.

 

Annex: Sozialversicherungsabkommen

 

Deutschland hat mit einer Reihe von Län­dern bilaterale Sozialversicherungsabkom­men geschlossen, die im Wesentlichen den Er­werb von Rentenansprüchen und die Zah­lung von Renten in den jeweiligen Staa­ten regeln. Mit sämtlichen Ländern innerhalb des Europäi­schen Wirtschaftsraumes und der Schweiz sowie mit folgenden Län­dern[10] wurden bereits Sozialversicherungsab­kommen zur Vermei­dung einer doppelten Rentenversicherungs­pflicht geschlossen bzw. werden Verhandlun­gen geführt:

 

 

Land in Kraft
getreten am /
Hinweis
Albanien 01. Dezember 2017
Argentinien in Verhandlung
Australien 01.  Januar 2003
Bosnien-Herzego­wina 01. September 1969
Brasilien 01. Mai 2013
Chile 01. Januar 1994
China 04. April 2002
(Entsendeabkommen)
Indien unterzeichnet aber noch nicht in Kraft;

bisher nur Entsendeabkommen seit 01. Oktober 2009

Israel 01. Mai 1975
Japan 01. Februar 2000
Kanada und Quebec 01. April 1988
Südkorea 01.  Januar 2003
Kosovo 01. September 1969
Marokko 01. August 1986
Mazedonien 01. Januar 2005
Montenegro 01. September 1969
Philippinen 01. Juni 2018
Russland in Verhandlung
Serbien 01. September 1969
Tunesien 01.  August1986
Türkei 01. November 1965
Ukraine Verhandlungen abge­schlossen. Unterzeichnung am 07. November 2018. Noch nicht ratifiziert.
Uruguay 01. Februar 2015
USA 01. Dezember 1979

 

Zu beachten ist, dass es nur wenige Sozialversicherungsabkommen gibt, die sämtli­che Sozialversicherungszweige umfassen. Lediglich die Rentenversicherung wird in al­len in der Tabelle aufgeführten Abkommen geregelt.

____________________________________________________________

[1] BSGE 79, 214, 217; BSGE 84, 136, 138f.

[2] Gemeinsame Verlautbarung der des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, vom 18. März 2020.

[3] SGB IV §§ 4 und 5 Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) vom 20.11.1997 i. d. F. v. 02.11.2010, Ziff.: 3.3.1.

[4] Gemeinsame Verlautbarung der des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, vom 18. März 2020, Ziff. 3.1.1.

[5] SGB IV §§ 4 und 5 Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) vom 20.11.1997 i. d. F. v. 02.11.2010, Ziff.: 3.3.2.

[6] Vgl. Urteil des BSG vom 27.05.1986 – 2 RU 12/85.

[7] Gemeinsame Verlautbarung der des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, vom 18. März 2020, Ziff. 3.1.3.

 

[8] Gemeinsame Verlautbarung der des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, vom 18. März 2020, Ziff. 3.1.3.

 

[9] Gemeinsame Verlautbarung der des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, vom 18. März 2020, Ziff. 3.1.3.

[10] Quelle: Sozialversicherungsabkommen und Vertragsverhandlungen, abrufbar unter: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/2_Rente_Reha/01_rente/01_grundwissen/05_rente_und_ausland/01a_grundlagen/01_02_grundlagen_sozialversabkommen.html. [zuletzt abgerufen am 29. März 2022].

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