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Der Umzug eines Gesellschafter-Geschäftsführers ins Ausland erscheint zunächst nicht als besonders planungsintensives Vorhaben. Regelmäßig wird unter Fortführung des Geschäfts einer deutschen GmbH eine Tochtergesellschaft im Ausland gegründet, um einen ausländischen Markt zu erschließen. Dieses Vorgehen bringt jedoch sowohl auf Ebene der Gesellschaften (Hinzurechnungsbesteuerung, Verrechnungspreise) als auch auf Ebene des verziehenden Gesellschafters (Wegzugsbesteuerung, ggf. erweitere Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht) steuerliche Herausforderungen mit sich. Werden die steuerlichen Pflichten durch die Geschäftsführer nicht erfüllt, können erhebliche wirtschaftliche und strafrechtliche Konsequenzen entstehen. Zunächst sollen dazu die Auswirkungen auf die Gesellschaften und anschließend auf die Gesellschafter dargestellt werden.
1. Hinzurechnungsbesteuerung bei der deutschen Gesellschaft
Bei der Gründung einer ausländischen Tochtergesellschaft muss berücksichtigt werden, dass es nicht nur zu einer Besteuerung der Gesellschaft im Ausland kommt, die Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft kann in Deutschland ebenfalls
eine Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG in Deutschland auslösen. Diese Besteuerung bezieht sich auf Einkünfte ausländischer Tochtergesellschaften, die in bestimmten Fällen in die Besteuerung der deutschen Muttergesellschaft einbezogen werden, um die Verlagerung von Einkünften in Niedrigsteuerländer zu verhindern.
Voraussetzung für die Hinzurechnungsbesteuerung ist, dass es sich um eine ausländische Gesellschaft handelt, die von einem inländischen Gesellschafter beherrscht wird
(z. B. zieht nur einer von mehreren Geschäftsführern ins Ausland). Eine Beherrschung liegt vor, wenn der Steuerinländer entweder allein oder gemeinsam mit nahestehenden Personen mehr als 50 % der Stimmrechte oder Anteile an der Gesellschaft hält oder einen Anspruch auf mehr als 50% des Gewinns oder Liquidationserlöses hat. Eine Person gilt dem Steuerpflichtigen als nahestehend, wenn sie entweder unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25% am gezeichneten Kapital oder Gesellschaftsvermögen des Steuerpflichtigen beteiligt ist oder wenn der Steuerpflichtige selbst zu mindestens 25% an der betreffenden Person beteiligt ist. Ebenso gilt eine Person als nahestehend, wenn sie Anspruch auf mindestens 25% des Gewinns oder Liquidationserlöses hat oder in der Lage ist, beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft oder einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsbeziehungen auszuüben.
Zudem müssen die Einkünfte der Tochtergesellschaft als „passive Einkünfte“ qualifizieren. Dies umfasst Einkünfte, die nicht aus einer der „aktiven Tätigkeiten“ (z. B. Handel, Dienstleistung, Vermietung und Verpachtung) des § 8 Abs. 1 AStG stammen. In der Praxis können hier aufgrund der vielfältigen Ausnahmen und Rückausnahmen Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten. So kann es unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) und b) AStG auch bei grundsätzlich aktiven Tätigkeiten zu einer Einstufung als schädliche Dienstleistung kommen, wodurch diese Dienstleistungen als passive Einkünfte gelten, und somit ggf. in Deutschland steuerpflichtig werden. Dies ist einerseits der Fall, wenn sich eine ausländische Gesellschaft zur Erbringung einer Dienstleistung im Ausland eines inländischen Steuerpflichtigen bedient, der gemäß § 7 AStG an der Gesellschaft beteiligt ist, oder einer ihm gemäß § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Person, die in Deutschland mit den daraus resultierenden Einkünften steuerpflichtig ist (sog. sich (in Deutschland) Bedienen).
Andererseits liegt eine schädliche Dienstleistung vor, wenn die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung einem solchen oben genannten Steuerpflichtigen oder einer solchen nahestehenden Person gegenüber erbringt. Keine schädliche Dienstleistung liegt in diesem Fall dann vor, wenn die ausländische Gesellschaft einen ordnungsgemäß eingerichteten kaufmännischen Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr führt und die für die Vorbereitung, den Abschluss und die Ausführung der Geschäfte erforderlichen Tätigkeiten ohne Mitwirkung (sog. schädlichen Mitwirkung) des Steuerpflichtigen oder eines nahestehenden Dritten gemäß § 1 Abs. 2 AStG ausführt (Voraussetzungen im Regelfall: eigenes relativ großes Büro und mindestens vier gut ausgebildete Mitarbeiter, etc.). Der Steuerpflichtige muss den Beweis dieses sog. Funktionsnachweises gemäß den erweiterten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO in Deutschland gegenüber dem Finanzamt erbringen. Sollte es dem Steuerpflichtigen nicht gelingen, den Funktionsnachweis und damit die Voraussetzungen für die Rückausnahme nachzuweisen, führen die Einkünfte zu passiven Einkünften und können eine Hinzurechnungsbesteuerung in Deutschland nach sich ziehen.
Für eine Hinzurechnung muss die Ertragsteuerbelastung der Tochtergesellschaft im Ausland unter 15 % liegen. Diese wird im Rahmen einer Belastungsberechnung durch den Vergleich der ermittelten passiven Einkünfte mit den tatsächlich von der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern bestimmt. Die tatsächliche Belastung kann dabei vom nominalen Steuersatz abweichen. Einkünfte gelten auch dann als mit Ertragsteuern von weniger als 15% belastet, wenn zwar rechtlich Ertragsteuern in Höhe von 15% geschuldet werden,
diese jedoch tatsächlich nicht erhoben oder teilweise zurückerstattet werden. Die Ermittlung der passiven Einkünfte und der tatsächlich gezahlten Steuern erfolgt gemäß den deutschen Steuervorschriften, was die Bestimmung der Steuerbelastung weiter verkomplizieren kann.
2. Verrechnungspreise
Ein weiteres steuerliches Thema bei Geschäftsvorfällen zwischen deutschen GmbHs und ausländischen Tochtergesellschaften betrifft die anzusetzenden und zu dokumentierenden Verrechnungspreise. Wenn Transaktionen zwischen einer inländischen Gesellschaft und einer ausländischen Tochtergesellschaft nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, erfolgt eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG mit der Folge, dass fiktive Gewinne in Deutschland besteuert werden, obwohl diese ggf. schon im Ausland besteuert wurden. Dieser Grundsatz verlangt grundsätzlich, dass Transaktionen zwischen nahestehenden Personen zu denselben Bedingungen (Preisgestaltung, Zahlungsmodalitäten, Risikoverteilung etc.) wie zwischen unabhängigen Dritten durchgeführt werden.
Die Bestimmung der Fremdvergleichspreise hängt von den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Geschäfts ab, insbesondere von den Funktionen, der Risikoverteilung, den Finanzierungsmodalitäten und den Vermögenswerten, die die beteiligten Parteien einbringen. Bei unzureichender Dokumentation der Verrechnungspreise kann zu einer Korrektur der Einkünfte und zu Zuschlägen durch das Finanzamt führen, da dann die Preise und Kosten der Transaktion vom Finanzamt geschätzt werden dürfen.
Seit dem 1. Januar 2025 muss die Verrechnungspreisdokumentation innerhalb einer Frist von 30 Tagen vorgelegt werden können. Bei verspäteter Vorlage sind Zuschläge von bis zu 1.000.000 Euro möglich. Unternehmen mit einem Umsatz unter 100 Millionen Euro genießen gewisse Erleichterungen bezüglich der Verrechnungspreisdokumentation. Aufgrund der komplexen Anforderungen an eine ausreichende Verrechnungspreisdokumentation, ist die regelmäßige Überprüfung der Geschäftsvorfälle zwingend notwendig.
3. Funktionsverlagerung
Bei der Errichtung der in- und ausländischen Gesellschaften ist auch die Problematik einer Funktionsverlagerung auf die ausländische Tochtergesellschaft zu beachten (vgl. Funktionsverlagerungsverordnung vom 18. Oktober 2022 (BGBl. I S. 1803); siehe auch, sehr erhellend: Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023;
BMF-Schreiben vom 6. Juni 2023, S. 1-833).
Wenn Funktionen von einem inländischen Unternehmen auf eine ausländische Tochtergesellschaft verlagert werden (z. B. Produktion, Entwicklung, Einkauf, Verkauf), werden die Gewinne, die aufgrund der Funktionsverlagerung nicht mehr in Deutschland besteuert werden können, trotzdem weitere 10 Jahre in Deutschland der Besteuerung unterworfen.
Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken, wie z. B. Know-how oder Kundenstamm, auf ein ausländisches Unternehmen übertragen werden, dieses sodann eine Funktion des übertragenden Unternehmens ausüben kann, die Funktion bei diesem inländischen Unternehmen eingeschränkt ist und dadurch weniger Gewinn in Deutschland entsteht. Eine Funktionsverdoppelung, bei der die Funktion im Inland weiterhin vollständig und ertragreich ausgeübt wird, stellt dagegen ggf. kein Problem dar.
Die (auch schleichende) Funktionsverlagerung muss geprüft und überwacht werden, da dies zu steuerlichen Korrekturen und möglicherweise zu einer erheblichen zusätzlichen Besteuerung führen kann.
4. Wegzugsbesteuerung des Gesellschafters, „Exit-Tax“
Eine besonders zu beachtende Folge des Wegzugs ist auf Ebene des Gesellschafter-Geschäftsführers zu berücksichtigen. Regelmäßig kann dieser eine Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG auslösen. Die Wegzugsbesteuerung wird bei einer natürlichen Person fällig, die mindestens 1 % der Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen hält, ins Ausland verzieht und dadurch ihre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufgibt. In diesem Fall wird eine endgültige Exit-Tax erhoben, die dazu dient, das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der Anteile zu verwerten.
Die Besteuerung erfolgt durch die Annahme einer fiktiven Veräußerung der Anteile zum Marktwert im Jahr des Wegzugs, was zur Aufdeckung von etwaigen stillen Reserven führt. Diese werden im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens zu 60 % des fiktiven Veräußerungsgewinns besteuert. Durch dieses Verfahren wird eine doppelte Besteuerung auf Ebene der Kapitalgesellschaft und des Gesellschafters vermieden.
Der Steuerpflichtige muss, um eine Wegzugsbesteuerung auszulösen, in mindestens sieben der letzten zwölf Jahre in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben. Mit dem Wegzug muss er sodann seine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland verlieren. Insoweit sind die Risiken der unfreiwilligen (erneuten) Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland während des Beobachtungszeitraums zu beachten, etwa durch eine regelmäßig genutzte inländische Ferienwohnung. Eine unentdeckte erneute Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht könnte dann zu einer Steuerverstrickung der stillen Reserven im Inland führen. Eine vorübergehende Abwesenheit, die innerhalb von sieben Jahren wieder zu einer unbeschränkten Steuerpflicht im Inland führt, ohne dass die Anteile veräußert, übertragen oder in ein Betriebsvermögen eingelegt wurden, führt nicht zur Wegzugsbesteuerung. Ob allein objektive Elemente in Form des tatsächlichen Verhaltens oder auch ein sog. Rückkehrwille zu beachten ist, ist im Detail umstritten und erfordert eine genaue Betrachtung im Einzelfall.
Die Steuer ist grundsätzlich sofort fällig, kann jedoch auf Antrag in sieben jährlichen Raten gezahlt werden, wobei dies in der Praxis nur gegen Sicherheitsleistung gewährt wird. Eine pauschale Stundung der Steuer wurde seit dem 1. Januar 2022 abgeschafft, was insbesondere für den Mittelstand zu unternehmensbedrohlichen Belastungen im Rahmen der Liquiditätsverfügbarkeit führen kann. Eine frühzeitige Planung des Wegzugs ist daher ratsam, um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden.
5. Erbschaft und Schenkungsteuer
Um einen Wegzug noch unattraktiver zu gestalten, hat der Gesetzgeber die sog. erweiterte unbeschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht normiert. Hiernach sind auch solche deutsche Staatsangehörige in Deutschland voll steuerpflichtig, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben. In anderen Worten sind somit deutsche Staatsbürger, die weniger als fünf Jahre im Ausland leben und innerhalb dieser Zeit etwas erben, mit dem Erbe vollständig in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig (und ggf. mangels Erbschaftssteuer DBA zusätzlich im Ansässigkeitsstaat).
Bei mittelbaren und unmittelbaren Beteili-gungen von mindestens 10 % am Grundoder Stammkapital einer inländischen Kapitalgesellschaft besteht sogar eine unbefristete beschränkte Steuerpflicht, auch wenn sowohl der Erblasser/ Schenker als auch der Erbe/ Beschenkte im Ausland leben. Dass in Fällen der beschränkten Steuerpflicht eine Minderung des anwendbaren Freibetrags vorzunehmen ist, wird die im Ausland lebenden Beteiligten zusätzlich negativ überraschen.
6. Steuerstrafrechtliche Konsequenzen
Die beschriebenen steuerrechtlichen Fragestellungen bergen ein hohes Risiko, steuerliche (Erklärungs-) Pflichten zu verletzen, was zu strafrechtlichen Konsequenzen für den Geschäftsführer führen kann. Gerade bei Unternehmensbeteiligungen können erhebliche Steuerforderungen entstehen, die bei Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung zu empfindlichen Strafen führen können, die von Bußgeldern bis zu Freiheitsstrafen reichen.
7. Zusammenfassung
Obwohl der Umzug eines Gesellschafter-Geschäftsführers ins Ausland und die gleichzeitige Gründung einer außereuropäischen Tochtergesellschaft auf den ersten Blick wirtschaftlich und praktisch relativ unkompliziert erscheinen, ergeben sich aus steuerlicher Sicht zahlreiche komplexe und weitreichende Fragestellungen.
Aus diesem Grund sollten solche Vorhaben im Vorfeld sorgfältig überprüft und geplant werden, um unerwünschte steuerliche Konsequenzen in Deutschland (und gegebenenfalls auch im Ausland) zu vermeiden. Zudem können für die Geschäftsführer auch steuerstrafrechtliche Konsequenzen entstehen.
Eine umfassende und akademische detaillierte Erläuterung der Wegzugsfolgen finden Sie demnächst in: Lorenz/ Tsyganov/ Liekefett, IStR 2025
Annex: Beispielsfall
Das Geschäftsmodell einer deutschen GmbH (A-GmbH) besteht in der Entwicklung von Apps im Auftrag von Kunden. An der A-GmbH sind X und Y mit jeweils 50 % beteiligt. Beide sind auch als Geschäftsführer aktiv an der Entwicklung der Apps beteiligt und leben seit ihrer Geburt ausschließlich in Deutschland. Im Unternehmen haben X und Y keine isolierten Zuständigkeitsbereiche. Die A-GmbH gründet eine 100-prozentige Tochtergesellschaft (THA-Ltd.) in Thailand. Diese soll ebenfalls Apps auch für deutsche Kunden entwickeln. Es werden in Thailand fünf Mitarbeiter eingestellt und ein Büro angemietet. X soll die Geschäfte vor Ort als Geschäftsführer leiten und zieht zu diesem Zwecke nach Thailand. Seine Wohnung in Deutschland gibt X endgültig auf. Auch Y fliegt mehrmals jährlich nach Thailand und arbeitet in dieser Zeit bei der THA-Ltd. mit. Zudem betreut Y gelegentlich (etwa bei Urlaub oder Krankheit des X) die THA-Ltd. aus Deutschland heraus mit und gibt hierbei z. B. Anweisungen an das Personal in Thailand. Die THA-Ltd. genießt eine Förderung durch das thailändische Board of Investment (BOI) und profitiert in diesem Rahmen unter anderem für acht Jahre von einer Steuerfreiheit von der corporate income tax in Thailand. Die Gesellschaft erzielt ihre Umsätze zu ca. 2/3 gegenüber thailändischen oder ausländischen Kunden und erbringt zu 1/3 Leistungen gegenüber der deutschen A-GmbH bzw. deren deutschen Kunden.
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Gesellschaftliche Risiken
Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft ausschließlich Dienstleistungen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG durch die Entwicklung von Apps erbringt. Hierbei han-
delt es sich zwar grundsätzlich um unschädliche aktive Einkünfte. Es könnte jedoch eine schädliche Dienstleistung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) AStG vorliegen. Sowohl X als auch Y sind aufgrund ihrer jeweils 50-prozentigen Beteiligung an der A-GmbH, welche die THA-Ltd. beherrscht, als nahestehende Personen gem. § 1 Abs. 2 AStG anzusehen.
X betreut als Geschäftsführer der thailändischen THA-Ltd. laufend den Betrieb in Thailand. Er unterliegt jedoch mit dem Wegzug und endgültiger Aufgabe des bislang bestehenden Wohnsitzes in Deutschland nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland.
Problematischer ist die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) AStG hinsichtlich des Y, der die THAI-Ltd. gelegentlich aus Deutschland heraus mitbetreut und gelegentlich nach Thailand fliegt und dann auch dort bei der THA-Ltd. mitarbeitet. Anders als X hat Y seinen Wohnsitz weiterhin in Deutschland und ist daher mit seinen Einkünften auch in Deutschland weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig. Soweit sich die THAI-Ltd. somit für ihre Dienstleistungen des Y „bedient“, liegen schädliche Dienstleistungen vor.
Daneben liegen schädliche Dienstleistungen gem. § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) AStG auch insoweit vor, als die THA-Ltd. ihre Dienstleistung (ca. 1/3 ihrer Umsätze) direkt gegenüber der A-GmbH als beherrschende Gesellschafterin gem. § 7 AStG erbringt. Insoweit besteht allerdings wie dargelegt die Möglichkeit einer Rückausnahme in Form des Funktionsnachweises. Da vor Ort in Thailand eigene Büroräume vorhanden sind, ein eigenes Geschäft betrieben wird und fünf Mitarbeiter angestellt sind, kann der Funktionsnachweis zwar grundsätzlich erbracht werden.
Darüber hinaus ist für die Annahme von aktiven Einkünften jedoch ebenfalls der Nachweis zu führen, dass keine schädliche Mitwirkung vorliegt.
Dies dürfte problematisch sein, da Y gelegentlich die THA-Ltd. aus Deutschland heraus betreut und regelmäßig nach Thailand fliegt und dort an den Geschäften mitwirkt. Faktisch wird ein Nachweis mangelnder Mitwirkung in der Praxis nur geführt werden können, wenn eine präzise, nachvollziehbare und bestenfalls dokumentierte Trennung der Geschäfte der thailändischen Gesellschaft von allen Aktivitäten der deutschen GmbH vorgenommen wird. Somit sprechen weit überwiegende Gründe dafür, dass im Ergebnis (zumindest teilweise) schädliche passive.
Einkünfte bei der THA-Ltd. in Thailand vorliegen.
Da es nicht auf die abstrakte, sondern auf die effektive Steuerbelastung ankommt, unterliegen die Einkünfte in Thailand auch einer niedrigen Besteuerung. Aufgrund der BOI-Förderung fällt für das Softwareentwicklungsgeschäft über einen Zeitraum von acht Jahren keine Ertragsteuer in Thailand an, sodass ein effektiver Steuersatz von 0 % vorliegt. Im Ergebnis müssen somit die als passiv zu qualifizierenden Einkünfte der thailändischen THA-Ltd. bei der deutschen A-GmbH hinzugerechnet und in Deutschland der Regelbesteuerung unterworfen werden.
Es ist des Weiteren hinsichtlich der Geschäfte zwischen der THA-Ltd. und der deutschen
A-GmbH auf eine ordnungsgemäße Ermittlung und Dokumentation der Verrechnungspreise zu achten. Eine Verrechnungspreisdokumentation ist auf Ebene der
A-GmbH in Deutschland gem. § 90 Abs. 3 AO grundsätzlich zwingend erforderlich.
Es spricht im Rahmen einer möglichen Funktionsverlagerung zwar einiges für eine Übertragung sonstiger Vorteile in Form des Know-hows des X. Allerdings sprechen überwiegende Gründe dafür, dass (allein) durch den Umzug des Geschäftsführers keine „Funktion“ auf das übernehmende Unternehmen übergeht. Zwar wird das Know-how des Geschäftsführers verlagert, da er jedoch die Entwicklung der Apps in Deutschland nicht allein, sondern gemeinsam mit Y und den anderen Mitarbeitern vornimmt und die Appentwicklung auch künftig in Deutschland in unveränderter Form fortgeführt wird, dürfte darin eher keine Übertragung eines organischen Teils des Unternehmens zu sehen sein. Ein entscheidendes Argument dürfte sein, dass X allein keinen isolierten Aufgabenbereich im Unternehmen übernommen hat. Gestützt wird dies durch § 1 Abs. 7 FVerlV a.F., wonach eine Funktionsverlagerung ausdrücklich nicht bei einer Mitarbeiterentsendung (dazu dürfte nach Sinn und Zweck auch ein Geschäftsführer gehören) vorlag. Zwar wurde diese Ausnahme in der neuen Fassung ersatzlos gestrichen, jedoch hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass in entsprechenden Fällen die vorhandenen Regelungen das Vorliegen einer Funktionsverlagerung bereits hinreichend ausschließen. Der Rechtsgedanke bleibt damit bestehen.
Auch wenn eine Funktionsverlagerung vorliegend zu verneinen sein dürfte, ist dieses Problem im Zusammenhang mit der Gründung von Gesellschaften im Ausland stets einzelfallbezogen zu beachten und sorgfältig zu prüfen.
Persönliche Risiken
X unterliegt durch seinen Umzug nach Thailand auch der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 und 2 AStG, wodurch es zu einer Aufdeckung der stillen Reserven an der Beteiligung des X an der A-GmbH kommt. Der persönliche Anwendungsbereich ist eröffnet. X ist eine natürliche Person und infolge seines inländischen Wohnsitzes i. S. d. § 8 AO im maßgeblichen Beobachtungszeitraum insgesamt mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Die von ihm im Privatvermögen gehaltenen Anteile an der A-GmbH i. H. v. 50 % stellen maßgebliche Beteiligungen i. S. d. § 17 EStG dar. Auch endet die unbeschränkte Steuerpflicht für X in Deutschland vorliegend mit Wegzug nach Thailand. In der Folge gilt die Beteiligung des X an der A-GmbH als verkauft. Der Unterschied zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten und dem fiktiven Marktwert im Jahr des Wegzugs ist die Grundlage der persönlichen Besteuerung für X.
(siehe dazu auch unsere anstehende Veröffentlichung in:Lorenz/ Tsyganov/ Liekefett, IStR 2025)