Newsletter No. 142

NL142 Schlichtung von Steuerstreitigkeiten in Hongkong

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I. Einführung

Hongkong stellt eines der Länder mit den welt­weit niedrigsten Steuersätzen dar. Steuern werden nur auf wenige Einkunftsarten wie

  • Unternehmensgewinne
  • Gehälter
  • Mieteinkünfte

erhoben. Andere Steuern, wie zum Bei­spiel die Erbschaft- oder Alkoholsteuer, wurden in den letzten Jahren abgeschafft. Haupteinnahme­quelle der Hongkonger Regie­rung ist vor al­lem die Steuer auf Unternehmens­gewinne („Pro­fits Tax“). Weni­ger ins Gewicht fallen die anderen beiden Steuer­arten, da lediglich 10% der Hongkonger Einwohner überhaupt Steu­ern zahlen. Darüber hinaus gewährt die Hongkon­ger Regierung auf­grund ihres Überschus­ses, der regelmäßig er­wirtschaftet wird, großzü­gige Steuernachlässe und Erleichterungen.

Auch der Steuersatz an sich ist recht niedrig, er liegt für Unternehmen bei 16,5% und ist bei der Einkommensteuer gestaffelt von 2% -17,5%, der Maximalsteuersatz ist aber 15%.

Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit, be­stimmte Unternehmensgewinne in Hongkong herauszunehmen, da nur solche Ge­winne in Hongkong zu versteuern sind, die in Hongkong erwirtschaftet wurden (Onshore Ge­winne). Gewinne, die außerhalb Hongkongs erwirtschaftet wurden (Offshore Ge­winne), sind in Hongkong grundsätzlich steu­er­frei.

II. Aufbau des Finanzwesens

Verantwortlich für die Erhebung von Steuern in Hongkong ist das Inland Revenue Depart­ment (IRD). Rechtsgrundlage ist das Hongkon­ger Steuergesetz, die Inland Revenue Ordi­nance (IRO).

Zum Ende des Finanzjahrs am 31. März sendet das IRD an sämtliche Unternehmen und steu­er­pflichtige Personen einen Vordruck zur Steu­ererklärung (dieser umfasst ca. drei Seiten), den der Steuerpflichtige innerhalb von einem Mo­nat mit Angaben über Einkommen, geltend gemachte Freibeträge und sonstigen Angaben zu­rückzusenden hat. Aufgrund die­ser Anga­ben erlässt das IRD im August ei­nen Steuerbe­scheid (umfasst zwei Seiten), aus dem sich das zu versteuernde Einkommen, die Ab­züge und die zu zahlende Steuer ergibt. Der Steuerpflich­tige hat dann die Möglichkeit, die Steuer in zwei Raten (Ende Dezember und An­fang März des Folgejahres) zu begleichen. Eine monatliche Lohnsteuerabfüh­rung erfolgt dementspre­chend nicht.

Ist das IRD mit den Angaben in der Steuerer­klä­rung nicht einverstanden, oder möchte der Steuerpflichtige gegen die Festset­zung in der Steuererklärung vorgehen, so steht ihm folgen­der Instanzenweg offen:

  • Diskussion mit dem zuständigen Bear­beiter
  • Weiterreichen des Falles an die „Ap­peals Section“
  • Board of Review
  • Court of First Instance
  • Court of Appeal
  • Court of Final Appeal

III. Erste Stufe: IRD

Sollten in der Steuererklärung Ungereimtheiten auftauchen, so wird das IRD dem Steuerpflichti­gen ein mehr oder weniger aus­führliches Anschreiben senden, in dem dieser zur Stel­lungnahme der offenen Fragen inner­halb von zwei Monaten aufgefordert wird. Zu beachten ist, dass das IRD das Recht hat, Steu­erbe­scheide bis zu sechs Jahre nachträglich zu än­dern. Dies hat zur Folge, dass nicht jedes Jahr der Steuerbe­scheid überprüft wird, son­dern eine ge­nauere Prüfung nur alle vier bis fünf Jahre stattfindet. So kann es sein, dass der Steuer­pflichtige auch zu Sachverhalten aus der Vergangenheit Stellung beziehen muss, was mit­unter schwierig sein kann, da Unterlagen schwer zu finden sind, Mitarbeiter gewech­selt ha­ben, etc.

Nach Erhalt der Stellungnahme erlässt das IRD einen Steuerbescheid, was ca. weitere vier bis fünf Monate in Anspruch nimmt. Ist der Steu­erpflichtige mit diesem Bescheid nicht ein­ver­standen, hat er innerhalb eines Monats Ein­spruch einzulegen. Währenddes­sen kann der Steuerpflichtigen auch versuchen, direkt mit dem Bearbeiter beim IRD in Kontakt zu tre­ten, um diesen von einer anderen rechtli­chen oder tatsächlichen Lage zu über­zeugen. Al­lerdings sollte trotzdem nicht die Frist zum Einspruch versäumt wer­den, da der Steuerbe­scheid ansonsten rechtskräf­tig wird.

Weiterhin ist zu beachten, dass der Einspruch keine aufschiebende Wirkung hat, so dass die festgesetzte Steuer trotzdem gezahlt werden muss. Für den Fall dass diese später wieder zu­rück erstattet wird, erhält der Steuerpflichtige ei­nen Zins in Höhe von max. 0,1% p.a. der Summe.

IV. Appeals Section

Konnte mit dem Sachbearbeiter keine Eini­gung gefunden werden und wurde fristgemäß Einspruch eingelegt, so wird der Fall der „Ap­peals Section“ des IRD vorgelegt. Diese be­steht aus erfahreneren Steuersachbearbeitern, die sich ausschließlich mit Einsprüchen be­schäf­ti­gen.

Diese versuchen die Fakten des Falles zu ord­nen und stellen hierzu dem Steuerpflichti­gen wei­tere Fragen per Brief, die dieser zu beant­wor­ten hat. Zu beachten ist hier, dass diese Faktensammlung zur Grund­lage des weite­ren Prozesses wird. Das heißt Fakten, die der Steu­erpflichtige eingeräumt hat, können in den wei­teren Instanzen ge­gen ihn verwendet wer­den, auch wenn diese nicht der Wahrheit ent­sprechen. Sollte der Steuer­pflichtige manche entscheidungserhebli­chen Tatsachen nicht an­ge­geben oder falsch an­gegeben haben, so wird es sehr schwer wer­den, diese im weiteren Ver­lauf zu ergänzen bzw. zu korrigieren. Aus die­sem Grund sollte spätes­tens hier ein Fach­mann hinzugezogen wer­den, der auch den weite­ren po­tentiellen Verlauf des Falles berücksich­tigt.

Daraufhin trifft die „Appeals Section“ über den Steuerbescheid eine der folgenden Ent­schei­dungen:

  • Aufhebung
  • Bestätigung, oder
  • Berichtigung (nach unten oder oben)

Mit diesem Bescheid verbunden ist dann auch der Rechtsbe­helfsbescheid für die Berufung zum „Board of Review“. Da die „Appeals Section“ strukturell zum IRD gehört, ist es unwahrscheinlich, dass diese den Bescheid zu Gunsten des Steuerpflichti­gen än­dert.

V. Board of Review

Der Einspruch gegen die Entscheidung der „Ap­peals Section“ führt zum „Board of Re­view“. Zu beachten ist hier die ab­solute Beru­fungsfrist von einem Monat. Diese kann auf An­trag we­gen Abwesenheit im Ausland oder Krank­heit verlängert werden. Allerdings ist es sehr schwierig, das „Board of Re­view“ hinter­her, nach Fristablauf, von diesen Fakten zu überzeugen, so dass in jedem Fall ein rechtzei­tiger Antrag auf Fristverlängerung ge­stellt wer­den sollte.

Mit Einlegung der Berufung ist auch eine sub­stantielle Begründung, warum Berufung einge­legt wird, einzureichen; es reicht nicht, sich all­ge­mein auf Fehler im Bescheid zu berufen, son­dern es muss materiell begründet werden, wa­rum die früheren Entscheidungen nicht recht­mä­ßig sind.

Weiterhin ist zu beachten, dass eine Kopie der Be­rufungsschrift innerhalb der Berufungsfrist dem „Commissioner of Inland Revenue De­part­ment“ (dem Leiter des IRD) zugestellt werden muss. Folge einer Versäumnis ist die Ab­lehnung der Berufung.

Das „Board of Review“ besteht aus einem Vorsit­zenden (Chairman), acht Deputies und 70 normalen Mitgliedern. Das „Board of Re­view“ ist ein unabhängiges Organ und die Mit­glieder sind, ähnlich wie Laienrichter in Deutsch­land, juristisch nicht vorgebildet, son­dern werden aus der Bevölkerung ausgewählt. Le­diglich der Chairman und teilweise die De­pu­ties sind Hongkonger Solicitors oder Bar­risters. Verhandlungen werden unter der Füh­rung des Chairman oder eines Deputies un­ter Mitwirkung von zwei weiteren Mitglie­dern ge­führt. Es handelt sich um ein gerichts­ähnliches Verfahren, in dem das IRD auf der einen und der Steuerpflichtige  auf der an­deren Seite Parteien des Verfahrens sind. Es be­steht kein Vertretungszwang für den Steuer­pflichtigen (durch Solicitor oder Bar­rister) und es ist zu beachten, dass die Beweis­pflicht über die Unrechtmäßigkeit früherer Bescheide al­leine dem Steuerpflichtigen auferlegt ist. Dies heisst, er muss Beweise beibrin­gen und Zeugen benennen, die seine Posi­tion stützen. Das IRD als Gegenpartei wird sich hauptsächlich auf Bestreiten und seine frühere Position beschrän­ken. Hier kommen nun auch die von der IRD zu­sammengestellten Fakten zum Tragen, da es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht mög­lich ist, weitere Daten oder Fakten in den Pro­zess einzubringen. Kann der Fall nicht an ei­nem Tag abgeschlos­sen werden, so hat der Vor­sitzende die Möglich­keit, die Verhandlung auf einen späte­ren Zeitpunkt zu vertagen. Das­selbe ist mög­lich, wenn doch noch neue Fakten eingeführt werden (was aber relativ schwer ist und vom Board of Review eher selten zugelas­sen wird) und eine der Parteien eine Vertagung be­antragt.

Allerdings kann es selbst in diesem späten Zeit­punkt noch sinnvoll sein, einen Vergleich mit dem IRD zu schliessen, da sich unter Umstän­den erst jetzt, durch Beweiseinvernahme oder Zeugenver­nehmung, die Sachlage anders dar­stellt und eine Partei zum Einlenken bereit ist. Solch eine Einigung (Settlement) benötigt aber die Zu­stimmung des „Board or Review“.

Ist die Verhandlung abgeschlossen, so erlässt das „Board of Review“ eine entsprechende Ent­scheidung. Diese können lauten:

  • Reduzierung des Steuerbescheids
  • Erhöhung des Steuerbescheids (Verbö­serung)
  • Aufhebung des Steuerbescheids.

VI. Court of First Instance

Ist der Steuerpflichtige mit der Entscheidung des Boards of Review nicht einverstanden, so kann er Revision zum Court of First Instance (CFI) einlegen. Die Frist hierfür beträgt wie­derum einen Mo­nat. Die Revision ist keine Tatsa­cheninstanz, es findet nur eine rechtliche Überprüfung der Vorinstanz statt. Funktionell zu­ständig ist der Einzelrichter. Außerdem be­steht Vertretungspflicht durch einen Hongkong Bar­rister.

Es besteht auch die Möglichkeit, nach der „Ap­peals Section“, anstatt das „Board of Re­view“ direkt den CFI anzuru­fen (ähnlich einer Sprungrevision). Hierzu muss innerhalb von 21 Tagen nach Berufungseinlegung zum „Board of Re­view“ ein Antrag an den CFI gestellt wer­den. Al­lerdings muss die Gegenseite, das IRD, die­sem direkten Gang zum CFI zustimmen, an­sons­ten kann dieser Weg nicht eingeschlagen werden. In den letzten Jahren wurde diese Zu­stimmung aber äußerst selten gegeben. Ob der Weg direkt zum CFI einzuschlagen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine Verhandlung vor einem ordentlichen Gericht hat folgende Vor- und Nachteile:

Vorteile

  • Unabhängigkeit
  • Formalität
  • Kostentragungspflicht des Unterlegenen
  • U. schneller, da Überspringen einer In­stanz

Nachteile:

  • Vertretungspflicht (höhere Kosten)
  • öffentliche Verhandlung („Board of Re­view“ unter Aus­schluss der Öffentlich­keit)
  • Lange Verfahrensdauer.

VII. Zusammenfassung

Das Verfahren in Steuersachen ist in Hongkong stark formalisiert und unabhängig. Aller­dings hat es den großen Nachteil, dass es sehr langwierig ist und bis zu einem finalen Urteil mit­unter bis zu 10 Jahre vergehen können. Da der Steuerpflichtige während des Verfahrens die Beweispflicht trägt, läuft er Gefahr, dass er Dokumente, Beweise, Zeugen, Mitarbeiter, etc. nach solch langer Zeit nicht mehr auffinden kann oder Zeugen sich nicht mehr erinnern, was zulasten des Steuerpflichtigen gewertet wird.

Weiterhin besteht keine Kostentragungspflicht für die unterlegene Partei, das heißt jede Seite trägt ihre Kosten selbst. Dies kann den mehr­fa­chen Betrag der Streitigkeit ausmachen, wenn der Steu­erpflichtige durch mehrere Instan­zen hin­durch einen oder mehrere Rechts­anwälte zu zah­len hat. Von daher ist es ratsam, von An­fang an auf eine gütliche Eini­gung mit dem IRD hinzuwirken und sich so früh wie möglich zu einigen. Da das IRD chro­nisch unterbesetzt ist, hat auch das IRD ein er­hebliches Interesse an einer frühen Einigung.

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