I. Einführung
Hongkong stellt eines der Länder mit den weltweit niedrigsten Steuersätzen dar. Steuern werden nur auf wenige Einkunftsarten wie
- Unternehmensgewinne
- Gehälter
- Mieteinkünfte
erhoben. Andere Steuern, wie zum Beispiel die Erbschaft- oder Alkoholsteuer, wurden in den letzten Jahren abgeschafft. Haupteinnahmequelle der Hongkonger Regierung ist vor allem die Steuer auf Unternehmensgewinne („Profits Tax“). Weniger ins Gewicht fallen die anderen beiden Steuerarten, da lediglich 10% der Hongkonger Einwohner überhaupt Steuern zahlen. Darüber hinaus gewährt die Hongkonger Regierung aufgrund ihres Überschusses, der regelmäßig erwirtschaftet wird, großzügige Steuernachlässe und Erleichterungen.
Auch der Steuersatz an sich ist recht niedrig, er liegt für Unternehmen bei 16,5% und ist bei der Einkommensteuer gestaffelt von 2% -17,5%, der Maximalsteuersatz ist aber 15%.
Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit, bestimmte Unternehmensgewinne in Hongkong herauszunehmen, da nur solche Gewinne in Hongkong zu versteuern sind, die in Hongkong erwirtschaftet wurden (Onshore Gewinne). Gewinne, die außerhalb Hongkongs erwirtschaftet wurden (Offshore Gewinne), sind in Hongkong grundsätzlich steuerfrei.
II. Aufbau des Finanzwesens
Verantwortlich für die Erhebung von Steuern in Hongkong ist das Inland Revenue Department (IRD). Rechtsgrundlage ist das Hongkonger Steuergesetz, die Inland Revenue Ordinance (IRO).
Zum Ende des Finanzjahrs am 31. März sendet das IRD an sämtliche Unternehmen und steuerpflichtige Personen einen Vordruck zur Steuererklärung (dieser umfasst ca. drei Seiten), den der Steuerpflichtige innerhalb von einem Monat mit Angaben über Einkommen, geltend gemachte Freibeträge und sonstigen Angaben zurückzusenden hat. Aufgrund dieser Angaben erlässt das IRD im August einen Steuerbescheid (umfasst zwei Seiten), aus dem sich das zu versteuernde Einkommen, die Abzüge und die zu zahlende Steuer ergibt. Der Steuerpflichtige hat dann die Möglichkeit, die Steuer in zwei Raten (Ende Dezember und Anfang März des Folgejahres) zu begleichen. Eine monatliche Lohnsteuerabführung erfolgt dementsprechend nicht.
Ist das IRD mit den Angaben in der Steuererklärung nicht einverstanden, oder möchte der Steuerpflichtige gegen die Festsetzung in der Steuererklärung vorgehen, so steht ihm folgender Instanzenweg offen:
- Diskussion mit dem zuständigen Bearbeiter
- Weiterreichen des Falles an die „Appeals Section“
- Board of Review
- Court of First Instance
- Court of Appeal
- Court of Final Appeal
III. Erste Stufe: IRD
Sollten in der Steuererklärung Ungereimtheiten auftauchen, so wird das IRD dem Steuerpflichtigen ein mehr oder weniger ausführliches Anschreiben senden, in dem dieser zur Stellungnahme der offenen Fragen innerhalb von zwei Monaten aufgefordert wird. Zu beachten ist, dass das IRD das Recht hat, Steuerbescheide bis zu sechs Jahre nachträglich zu ändern. Dies hat zur Folge, dass nicht jedes Jahr der Steuerbescheid überprüft wird, sondern eine genauere Prüfung nur alle vier bis fünf Jahre stattfindet. So kann es sein, dass der Steuerpflichtige auch zu Sachverhalten aus der Vergangenheit Stellung beziehen muss, was mitunter schwierig sein kann, da Unterlagen schwer zu finden sind, Mitarbeiter gewechselt haben, etc.
Nach Erhalt der Stellungnahme erlässt das IRD einen Steuerbescheid, was ca. weitere vier bis fünf Monate in Anspruch nimmt. Ist der Steuerpflichtige mit diesem Bescheid nicht einverstanden, hat er innerhalb eines Monats Einspruch einzulegen. Währenddessen kann der Steuerpflichtigen auch versuchen, direkt mit dem Bearbeiter beim IRD in Kontakt zu treten, um diesen von einer anderen rechtlichen oder tatsächlichen Lage zu überzeugen. Allerdings sollte trotzdem nicht die Frist zum Einspruch versäumt werden, da der Steuerbescheid ansonsten rechtskräftig wird.
Weiterhin ist zu beachten, dass der Einspruch keine aufschiebende Wirkung hat, so dass die festgesetzte Steuer trotzdem gezahlt werden muss. Für den Fall dass diese später wieder zurück erstattet wird, erhält der Steuerpflichtige einen Zins in Höhe von max. 0,1% p.a. der Summe.
IV. Appeals Section
Konnte mit dem Sachbearbeiter keine Einigung gefunden werden und wurde fristgemäß Einspruch eingelegt, so wird der Fall der „Appeals Section“ des IRD vorgelegt. Diese besteht aus erfahreneren Steuersachbearbeitern, die sich ausschließlich mit Einsprüchen beschäftigen.
Diese versuchen die Fakten des Falles zu ordnen und stellen hierzu dem Steuerpflichtigen weitere Fragen per Brief, die dieser zu beantworten hat. Zu beachten ist hier, dass diese Faktensammlung zur Grundlage des weiteren Prozesses wird. Das heißt Fakten, die der Steuerpflichtige eingeräumt hat, können in den weiteren Instanzen gegen ihn verwendet werden, auch wenn diese nicht der Wahrheit entsprechen. Sollte der Steuerpflichtige manche entscheidungserheblichen Tatsachen nicht angegeben oder falsch angegeben haben, so wird es sehr schwer werden, diese im weiteren Verlauf zu ergänzen bzw. zu korrigieren. Aus diesem Grund sollte spätestens hier ein Fachmann hinzugezogen werden, der auch den weiteren potentiellen Verlauf des Falles berücksichtigt.
Daraufhin trifft die „Appeals Section“ über den Steuerbescheid eine der folgenden Entscheidungen:
- Aufhebung
- Bestätigung, oder
- Berichtigung (nach unten oder oben)
Mit diesem Bescheid verbunden ist dann auch der Rechtsbehelfsbescheid für die Berufung zum „Board of Review“. Da die „Appeals Section“ strukturell zum IRD gehört, ist es unwahrscheinlich, dass diese den Bescheid zu Gunsten des Steuerpflichtigen ändert.
V. Board of Review
Der Einspruch gegen die Entscheidung der „Appeals Section“ führt zum „Board of Review“. Zu beachten ist hier die absolute Berufungsfrist von einem Monat. Diese kann auf Antrag wegen Abwesenheit im Ausland oder Krankheit verlängert werden. Allerdings ist es sehr schwierig, das „Board of Review“ hinterher, nach Fristablauf, von diesen Fakten zu überzeugen, so dass in jedem Fall ein rechtzeitiger Antrag auf Fristverlängerung gestellt werden sollte.
Mit Einlegung der Berufung ist auch eine substantielle Begründung, warum Berufung eingelegt wird, einzureichen; es reicht nicht, sich allgemein auf Fehler im Bescheid zu berufen, sondern es muss materiell begründet werden, warum die früheren Entscheidungen nicht rechtmäßig sind.
Weiterhin ist zu beachten, dass eine Kopie der Berufungsschrift innerhalb der Berufungsfrist dem „Commissioner of Inland Revenue Department“ (dem Leiter des IRD) zugestellt werden muss. Folge einer Versäumnis ist die Ablehnung der Berufung.
Das „Board of Review“ besteht aus einem Vorsitzenden (Chairman), acht Deputies und 70 normalen Mitgliedern. Das „Board of Review“ ist ein unabhängiges Organ und die Mitglieder sind, ähnlich wie Laienrichter in Deutschland, juristisch nicht vorgebildet, sondern werden aus der Bevölkerung ausgewählt. Lediglich der Chairman und teilweise die Deputies sind Hongkonger Solicitors oder Barristers. Verhandlungen werden unter der Führung des Chairman oder eines Deputies unter Mitwirkung von zwei weiteren Mitgliedern geführt. Es handelt sich um ein gerichtsähnliches Verfahren, in dem das IRD auf der einen und der Steuerpflichtige auf der anderen Seite Parteien des Verfahrens sind. Es besteht kein Vertretungszwang für den Steuerpflichtigen (durch Solicitor oder Barrister) und es ist zu beachten, dass die Beweispflicht über die Unrechtmäßigkeit früherer Bescheide alleine dem Steuerpflichtigen auferlegt ist. Dies heisst, er muss Beweise beibringen und Zeugen benennen, die seine Position stützen. Das IRD als Gegenpartei wird sich hauptsächlich auf Bestreiten und seine frühere Position beschränken. Hier kommen nun auch die von der IRD zusammengestellten Fakten zum Tragen, da es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht möglich ist, weitere Daten oder Fakten in den Prozess einzubringen. Kann der Fall nicht an einem Tag abgeschlossen werden, so hat der Vorsitzende die Möglichkeit, die Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Dasselbe ist möglich, wenn doch noch neue Fakten eingeführt werden (was aber relativ schwer ist und vom Board of Review eher selten zugelassen wird) und eine der Parteien eine Vertagung beantragt.
Allerdings kann es selbst in diesem späten Zeitpunkt noch sinnvoll sein, einen Vergleich mit dem IRD zu schliessen, da sich unter Umständen erst jetzt, durch Beweiseinvernahme oder Zeugenvernehmung, die Sachlage anders darstellt und eine Partei zum Einlenken bereit ist. Solch eine Einigung (Settlement) benötigt aber die Zustimmung des „Board or Review“.
Ist die Verhandlung abgeschlossen, so erlässt das „Board of Review“ eine entsprechende Entscheidung. Diese können lauten:
- Reduzierung des Steuerbescheids
- Erhöhung des Steuerbescheids (Verböserung)
- Aufhebung des Steuerbescheids.
VI. Court of First Instance
Ist der Steuerpflichtige mit der Entscheidung des Boards of Review nicht einverstanden, so kann er Revision zum Court of First Instance (CFI) einlegen. Die Frist hierfür beträgt wiederum einen Monat. Die Revision ist keine Tatsacheninstanz, es findet nur eine rechtliche Überprüfung der Vorinstanz statt. Funktionell zuständig ist der Einzelrichter. Außerdem besteht Vertretungspflicht durch einen Hongkong Barrister.
Es besteht auch die Möglichkeit, nach der „Appeals Section“, anstatt das „Board of Review“ direkt den CFI anzurufen (ähnlich einer Sprungrevision). Hierzu muss innerhalb von 21 Tagen nach Berufungseinlegung zum „Board of Review“ ein Antrag an den CFI gestellt werden. Allerdings muss die Gegenseite, das IRD, diesem direkten Gang zum CFI zustimmen, ansonsten kann dieser Weg nicht eingeschlagen werden. In den letzten Jahren wurde diese Zustimmung aber äußerst selten gegeben. Ob der Weg direkt zum CFI einzuschlagen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine Verhandlung vor einem ordentlichen Gericht hat folgende Vor- und Nachteile:
Vorteile
- Unabhängigkeit
- Formalität
- Kostentragungspflicht des Unterlegenen
- U. schneller, da Überspringen einer Instanz
Nachteile:
- Vertretungspflicht (höhere Kosten)
- öffentliche Verhandlung („Board of Review“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit)
- Lange Verfahrensdauer.
VII. Zusammenfassung
Das Verfahren in Steuersachen ist in Hongkong stark formalisiert und unabhängig. Allerdings hat es den großen Nachteil, dass es sehr langwierig ist und bis zu einem finalen Urteil mitunter bis zu 10 Jahre vergehen können. Da der Steuerpflichtige während des Verfahrens die Beweispflicht trägt, läuft er Gefahr, dass er Dokumente, Beweise, Zeugen, Mitarbeiter, etc. nach solch langer Zeit nicht mehr auffinden kann oder Zeugen sich nicht mehr erinnern, was zulasten des Steuerpflichtigen gewertet wird.
Weiterhin besteht keine Kostentragungspflicht für die unterlegene Partei, das heißt jede Seite trägt ihre Kosten selbst. Dies kann den mehrfachen Betrag der Streitigkeit ausmachen, wenn der Steuerpflichtige durch mehrere Instanzen hindurch einen oder mehrere Rechtsanwälte zu zahlen hat. Von daher ist es ratsam, von Anfang an auf eine gütliche Einigung mit dem IRD hinzuwirken und sich so früh wie möglich zu einigen. Da das IRD chronisch unterbesetzt ist, hat auch das IRD ein erhebliches Interesse an einer frühen Einigung.