Rechtliche Auseinandersetzungen nach 9/11 Twin Towers 1 oder 2 Ereignisse? Versicherungsrechtliche Schadensabwicklung Juli 2025 |
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I. Problemaufriss
Die juristische Aufarbeitung der Terroranschläge vom 11. September 2001 stellte Versicherer, Gerichte und Schiedsinstanzen vor grundlegende versicherungsrechtliche Fragen. Im Mittelpunkt stand dabei die zentrale Streitfrage, ob die beiden Flugzeugeinschläge in die Türme des World Trade Centers als ein einheitliches oder als zwei getrennte Schadensereignisse zu qualifizieren seien. Diese Einordnung hatte unmittelbare finanzielle Auswirkungen auf die Höhe der Versicherungsleistungen – im Milliardenbereich. Die Komplexität des Falls wurde durch uneinheitliche Vertragsgrundlagen, unterschiedliche nationale Rechtsordnungen und parallele Verfahren vor ordentlichen Gerichten und Schiedsinstanzen erheblich gesteigert.
II. Verfahren vor den New Yorker Gerichten
Die Frage nach der Einheitlichkeit der Schadensereignisse wurde letztendlich vom New Yorker Berufungsgericht – wie bereits durch die Vorinstanz – für verschiedene Versicherungen unterschiedlich entschieden. Konkret wurde dabei auf die jeweils verwendeten Versicherungsbestimmungen abgestellt.
Bei jenen Versicherungen, welche die sog. „Willis-Bedingungen“ oder „WilProp-Form“ verwendet hatten, wurde von einem Schadensereignis ausgegangen. Diese Versicherungsbedingungen besagen, dass eine zusammenhängende Reihe von ähnlichen Ereignissen als ein einzelnes Schadensereignis aufgefasst wird. Bemerkenswerterweise beruhte dabei der Versicherungsvertrag der SwissRe lediglich auf Vorverträgen, einen eigentlichen Versicherungsvertrag gab es – trotz der enormen Versicherungssumme von 900 Millionen Euro – nicht.
Für andere Versicherungsunternehmen (darunter die Zurich Financial, die Allianz und die Münchener Rück), welche andere Vertragsbestimmungen verwendet hatten, wurde von zwei Schadensereignissen ausgegangen. Daher mussten pro Ereignis dann die jeweiligen Versicherungssummen bezahlt werden, was für diese Versicherungen im Ergebnis einen (Mehr-)Schaden von mehreren Milliarden USD bedeutete.
III. Schiedsgerichtliche Verfahren
Weiters gab es auch mehrere Schiedsverfahren zwischen den Versicherern der involvierten Fluglinien und der Sicherheitsdienste, welche die Check-Ins abwickelten und Rückversicherern, welche nach englischem Recht zu beurteilen waren. Hier wurde durchgehend von zwei Schadensereignissen ausgegangen; dies wurde auch vom Commercial Court in London bestätigt.
Die Schiedsgerichte prüften die Einheit des Schadensereignisses nach folgendem Prüfschema, welches in der Vergangenheit bereits auf ähnliche Fälle angewandt wurde:
- Vorsatz, d.h. die Umstände und Ziele der verantwortlichen Personen
- Ursache
- Zeitpunkt und
- Ort des Schadensereignisses.
Hinsichtlich des Vorsatzes wies das Schiedsgericht darauf hin, dass zwar ein einheitlicher Plan vorlag; eine Planung an sich aber kein Ereignis darstellen kann. Hinsichtlich der übrigen Prüfpunkte wurde sodann von jeweils zwei Ereignissen (2 verschiedene Ursachen, 2 unterschiedliche Zeitpunkte und 2 unterschiedliche Orte) ausgegangen. Aus diesem Grund entschied das Schiedsgericht, „dass ein unabhängiger, objektiver Beobachter, der die Entführungen und die Todesfälle und Personenschäden an Bord beobachtet hätte, zu dem Schluss gekommen wäre, dass es sich um zwei separate Entführungen handelte.“ Das Londoner Gericht (Commercial Court) entschied sodann final, dass die von den beteiligten Versicherungen vorgebrachten Verfahrensmängel nicht zutrafen, und bestätigte die schiedsgerichtlichen Entscheidungen.
IV. Fazit
Dieser Fall zeigt eindrücklich, wie entscheidend die konkrete Ausgestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für die rechtliche Bewertung komplexer Sachverhalte ist. Unterschiedliche Klauseln können zu stark abweichenden Ergebnissen führen, etwa bei der Frage, ob mehrere Ereignisse als ein oder mehrere rechtlich getrennte Vorgänge zu behandeln sind. Bei komplexen und/oder vielschichtigen Fällen empfiehlt sich daher eine sorgfältige Prüfung der Verträge sowie der verwendeten AGB.