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I. Hintergrund
Mit dem sogenannten „Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz“ (StUmgBG) hat der deutsche Gesetzgeber die Mitteilungspflichten eines deutschen Steuerpflichtigen in Bezug auf geschäftliche Auslandsaktivitäten im Jahr 2017 verschärft. Mit Schreiben vom 26. April 2022 hat das Bundesfinanzministerium den Anwendungsbereich aus Verwaltungssicht präzisiert.[1]
II. Mitteilungspflichten nach Art und Umfang der Auslandsaktivität
Nach § 138 Abs. 2 S. 1 AO haben Steuerpflichtige mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Geschäftsleitung oder Sitz in Deutschland – also inländische unbeschränkt Steuerpflichtige – dem zuständigen Finanzamt folgendes mitzuteilen:
- Die Gründung und den Erwerb von Betrieben und Betriebsstätten im Ausland (Nr. 1)
- Den Erwerb, die Aufgabe oder die Veränderung einer Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften (Nr. 2)
- Den Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz und Geschäfts-leitung außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes (unter weiteren Einschränkungen) (Nr. 3)
- Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen (im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG) erstmals unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben kann.
1) Betriebe und Betriebsstätten im Ausland
Die Gründung und der Erwerb von Betrieben und Betriebsstätten sind – unabhängig von der Größe – nach § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zu melden.
Erfasst ist über den Wortlaut hinaus auch die Verlegung eines Betriebes oder einer Betriebsstätte ins Ausland oder vom Ausland in ein anderes Ausland.
2) Ausländische Personengesellschaften
Nach § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO sind ferner der Erwerb, die Aufgabe oder die Veränderung der Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften mitzuteilen.
Auf die Höhe der Beteiligung kommt es bei einer Veränderung nicht an.
Ob eine Personengesellschaft vorliegt, ist nicht nach dem Recht des Belegenheitsstaates, sondern nach deutschem Recht zu entscheiden.
3) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland
Der Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sind nach § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 (lit a. und b.) AO nur dann mitteilungspflichtig, wenn damit eine Beteiligung von mindestens 10 % erreicht wird oder die Summe der Anschaffungskosten aller Beteiligungen mehr als 150.000 EUR beträgt.
Die Mitteilungspflicht zu ausländischen Körperschaften (u.a.) wird nachfolgend an Beispielen verdeutlicht:
a) Beispiel 1:
Die deutsche A-GmbH erwirbt 100 % der thailändischen B Co. Ltd., die wiederum 100 % der Anteile der thailändischen C Co. Ltd. hält.
Die A-GmbH ist mitteilungspflichtig hinsichtlich des Erwerbs der Anteile der B Co. Ltd., weil die Beteiligungsgrenze von 10 % überschritten wird.
Nach § 138 Abs. 2 S. 2 AO werden unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammengerechnet. Daraus folgert zumindest die Finanzverwaltung, dass die A-GmbH auch hinsichtlich des mittelbaren Anteilserwerbs der C Co. Ltd. mitteilungspflichtig ist. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass in § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO – im Gegensatz zu anderen Tatbeständen der Norm – der mittelbare Erwerb gerade nicht ausdrücklich bezeichnet ist.
Eine Mitteilungspflicht besteht hier im konkreten Fall hinsichtlich der C Co. Ltd. vielmehr nur deshalb, weil die A-GmbH durch den Anteilserwerb der B Co. Ltd. einen beherrschenden Einfluss auf eine Drittstaat-Gesellschaft (die C Co. Ltd.) nach § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO erhält (siehe Beispiel 5).
b) Beispiel 2:
Die A-GmbH ist an der B Co. Ltd. zu 100 % beteiligt. Nunmehr erwirbt die B Co. Ltd. 100 % der Anteile der C Co. Ltd.
Die A-GmbH ist nicht mitteilungspflichtig, weil sie nicht selbst eine Beteiligung entgeltlich oder unentgeltlich erworben hat.
c) Beispiel 3:
Die A-GmbH ist an der ausländischen B Co. Ltd. zu 100 % beteiligt. Die B Co. Ltd. ist zu 5 % an der C Co. Ltd. beteiligt. Die A-GmbH erwirbt weitere 5 % der C Co. Ltd.
Die A-GmbH ist mitteilungspflichtig. Sie ist nunmehr unmittelbar und mittelbar zu insgesamt 10 % an der C Co. Ltd. beteiligt. Wie vorbezeichnet, werden unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammengerechnet.
d) Beispiel 4:
Die A-GmbH hält 5 % an der B Co. Ltd. (Anschaffungskosten 80.000 EUR). Die A-GmbH erwirbt weitere 4 % der B Co. Ltd. (Anschaffungskosten 90.000 EUR).
Die A-GmbH ist infolge des Erwerbs nur zu 9 % an der B Co. Ltd. beteiligt. Indes entsteht eine Mitteilungspflicht aus der Summe der Anschaffungskosten aller Beteiligungen (170.000 EUR). Die Anschaffungskosten früher erworbener Beteiligungen sind einzubeziehen.
4) Drittstaat-Gesellschaften
Nach § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO ist der Steuerpflichtige darüber hinaus hinsichtlich der Tatsache mitteilungspflichtig, dass er alleine oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG erstmals unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben kann.
Die neu geschaffene Mitteilungspflicht ist eine Reaktion auf die Veröffentlichung der sogenannten „Panama Papers“ und soll ermöglichen, Briefkastenfirmen zu identifizieren.
Die Norm erfährt aufgrund der Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen im rechtswissenschaftlichen Diskurs große Kritik.
Der Kern der Mitteilungspflicht soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:
Beispiel 5:
Die A-GmbH erwirbt 100 % der Anteile der D SARL (eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im EU-Ausland). Die D SARL hält 100 % der Anteile der E SARL (EU-Ausland) sowie der B Co. Ltd. (eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Thailand).
Da die Beteiligungsgrenze von 10 % überschritten wird, kommt es zu einer Anzeigepflicht hinsichtlich der unmittelbar erworbenen Beteiligung an der D SARL nach § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO.
Mit dem Beteiligungserwerb an der D SARL kann die A GmbH nunmehr auch erstmals beherrschenden Einfluss auf die B Co. Ltd. (eine Drittstaat-Gesellschaft) ausüben, sodass auch diesbezüglich eine Mitteilungspflicht besteht.
Eine Mitteilungspflicht hinsichtlich der E SARL (EU-Ausland) besteht nicht, weil der mittelbare Erwerb von § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO nicht erfasst ist (siehe Beispiel 1; andere Ansicht: Finanzbehörden).
III. Zuzug und damit verbundene Mitteilungspflichten bei bestehenden Beteiligungen im Ausland
Unsicherheit herrscht in der Praxis hinsichtlich der Frage, ob auch ein Zuzug nach Deutschland etwaige Mitteilungspflichten hinsichtlich bestehender Beteiligungen im Ausland auslöst.
Dies ist unserer Ansicht nach eher zu verneinen.
Der Zuzug selbst führt zunächst zu keiner Mitteilungspflicht nach § 138 Abs. 2 S. 1 AO. Der Zuzug schafft lediglich die Grundvoraussetzung des § 138 Abs. 2 S. 1 AO, nämlich die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.
Hinzukommen muss danach noch ein die Mitteilungspflicht auslösender Tatbestand.
Eine Mitteilungspflicht hinsichtlich bereits bestehender Beteiligungen ließe sich allenfalls nach § 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO konstruieren.
Dagegen sprechen aber eine Vielzahl von Gründen:
- Der Gesetzgeber hat ausdrücklich nur Veränderungen (Erwerb, Gründung, erstmalige Ausübung beherrschenden Einflusses) geregelt, die zu einer Mitteilungspflicht führen. Der Status Quo ist nicht mitteilungspflichtig.
- Den beherrschenden Einfluss hat der (nunmehr durch seinen Zuzug) Steuerpflichtige vor der Steuerpflichtigkeit bereits erstmalig ausüben können. Nach der Begründung des Zuzugs kann die Ausübung nicht mehr ohne Veränderungen erstmalig
- Eine extensive oder erweiternde Auslegung verbietet sich im Fall von Mitteilungspflichten, die im Falle der Zuwiderhandlung bußgeldbewehrt sind (§ 379 Abs. 2 Nr. 1 und 7 AO). Der Steuerpflichtige muss eindeutig erkennen können, welche konkreten Zuwiderhandlungen zu welchen strafrechtlichen Konsequenzen führen.
- Weder der Gesetzgeber noch die Finanzverwaltung deuten eine Mitteilungspflicht hinsichtlich des Bestands in ihren Begründungen und Anwendungshinweisen an.
IV. Form und Frist der Mitteilungen
Die Mitteilungen nach § 138 Abs. 2 AO sind grundsätzlich zusammen mit der Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungserklärung für den Besteuerungszeitraum, in dem der mitzuteilende Sachverhalt verwirklicht wurde, spätestens jedoch bis zum Ablauf von 14 Monaten nach Ablauf dieses Besteuerungszeitraums, nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu erstatten (§ 138 Absatz 5 Satz 1 AO).
Wird der Mitteilungspflicht nach § 138 Abs. 2 S. 1 AO nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachgekommen, kann diese Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 EUR geahndet werden.
V. Fazit
Es empfiehlt sich vor dem Hintergrund empfindlicher Geldbußen etwaige Mitteilungspflichten als deutscher unbeschränkt Steuerpflichtiger bei Veränderungen der betreffenden Auslandsaktivitäten (Erwerb, Gründung, Veräußerung, erstmalige Ausübung beherrschenden Einflusses) zu beachten.
Aufgrund des teilweise unklaren Wortlauts und der extensiven Auslegung des § 138 Abs. 2 S. 1 AO durch die Finanzbehörden kann im Einzelfall eine Mitteilung aus Vorsichtsgründen anzuraten sein.