Newsletter No. 116

NL116 Internationale Vertragsgestaltung unter Berücksichtigung des Internationalen Privatrechts

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I. Einführung

Das Internationale Privatrecht (IPR) be­fasst sich damit, welches materielle Recht auf einen Sachverhalt mit Auslandsberührung anzuwenden ist.

In Deutschland ist das IPR grundsätz­lich im Einführungsgesetz zum Bürger­lichen Gesetzbuch (EGBGB) verortet. Durch die zunehmende Vereinheitli­chung des IPR auf europäischer Ebene wurden jedoch einige Bestimmungen des EGBGB durch EU-Verordnungen verdrängt. Die Regeln über inter-nationale vertragliche und außer-vertragliche Schuldverhältnisse sind jetzt in den EUVerordnungen Rom I[1] und Rom II[2] enthalten.[3] Diese Verordnungen finden in Deutschland unmittelbare Anwendung und ersetzen somit die Art. 27 bis 37 bzw. Art. 38 bis 42 EGBGB. Eigenständige Relevanz verbleibt dem EGBGB insb. für das Sachenrecht nach Art. 43 ff. EGBGB.

Dieser Newsletter soll einen kurzen Einblick in das internationale Privatrecht geben und schließt mit Hinweisen zu Vertragsgestaltungen, die den Erforder­nissen von internationalen Sachverhal­ten Rechnung tragen, ab.

II. Definitionen

Um das IPR im Ganzen verständlicher zu machen, bedarf es zunächst der Definition und Erläuterung einiger gebräuchlicher Termini.

1. Kollisionsnormen

Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebie­ten enthält das IPR keine Normen, die materiell-rechtliche Rechtsfolgen bieten (Sachnormen), sondern Kollisions-normen, die bei einem Sachverhalt mit ausländischem Bezug darauf hinweisen, in welcher Rechtsordnung die einschlägigen nationalen Sachnormen zu finden sind. Ein Rückgriff auf das IPR ist daher nur erforderlich, wenn tatsächlch eine Kollision besteht. Dies ist bereits nicht der Fall, wenn vorrangiges, unmittelbar anwendbares, supranationales Recht (insbesondere das CISG sowie Unionsrecht) Anwendung findet, oder die Beteiligten eine eigene Rechtswahl wirksam getroffen haben.

Das materielle Privatrecht ist in ver­schiedene Lebensbereiche gegliedert, wie zum Beispiel Vertragsrecht, Familien­recht oder Erbrecht. Ein solcher Bereich bildet den Anknüpfungsgegenstand ei­ner Kollisionsnorm, also die rechtliche Thematik, unter die der Sachverhalt einzuordnen ist. Dagegen bezeichnet der Anknüpfungspunkt (auch Anknüpfungs-moment) das Merkmal, das die Verbin­dung zwischen dem Sachverhalt und dem anwendbaren Recht schafft.

Beispiel 1: Nachlassproblematik eines in Deutschland lebenden Italieners: Der Anknüpfungsgegenstand ist die Rechtsnachfolge von Todes wegen, des­halb ist Art. 23 Abs. 1 EU-ErbVO die einschlägige Kollisionsnorm, wonach die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt des Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Somit bildet der letzte gewöhnliche Aufenthalt den Anknüpfungspunkt. Damit steht fest, dass die Rechtsnachfolge sich hier am deutschen Recht orientiert.

Im deutschen IPR ist – abgesehen vom obigen Beispiel – der häufigste An­knüpfungspunkt die Staatsangehörigkeit. Durch sie werden die meisten Rechts­verhältnisse geregelt, die eine natürliche Person betreffen. Bei Schuldverhältnis­sen und im Gesellschaftsrecht ist der Anknüpfungspunkt im IPR grundsätz­lich der Ort der vorgenommenen Hand­lung. Das IPR knüpft beim Sachenrecht (z.B. Eigentums- und Besitzrecht) dage­gen an den Belegenheitsort (wo sich die Sache befindet) an, sog. lex rei sitae.

2. Statutenwechsel

Problematisch wird ein Sachverhalt mit internationalem Bezug dann, wenn sich durch die Änderung hinsichtlich der anknüpfungserheblichen Tatsache die anwendbare Rechtsordnung ändert. In diesem Fall spricht man von einem Statutenwechsel. Dabei gilt die neue Rechtsordnung von dem Moment an, in dem sich das Anknüpfungsmoment ändert (sog. ex-nunc-Wirkung).

Beispiel 2: Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz hat das Auto eines Deutschen seit 6 Jahren rechtsgrundlos im Besitz. Der Deutsche hat sein Recht auf Herausgabe bislang nicht geltend gemacht. Der Schweizer zieht daraufhin nach Deutschland und nimmt das Auto mit. Anwendbares Recht ist ab Verbringen des Fahrzeugs gem. Art. 43 EGBGB deutsches Recht, da es sich bei dem Auto um eine Sache handelt und der Belegenheitsort der Sache relevant ist. Der Schweizer kann in Deutschland erst nach 10 Jahren Eigentümer durch Ersitzung werden, § 937 BGB.

Damit wäre er nach deutschem Recht noch kein Eigentümer. In der Schweiz allerdings erfolgt die Ersitzung schon nach 5 Jahren, Art. 728 ZGB. Da der Schweizer das Auto erst nach 6 Jahren[4] nach Deutschland verbracht hat, ist er in der Schweiz bereits Eigentümer gewor­den. Die Eigenschaft als Eigentümer verliert er durch den Umzug nach Deutschland nach erfolgtem Eigentumserwerb in der Schweiz jedoch nicht, da ein Statutenwechsel bloß ex nunc wirkt, nur die Steigerung der Rechte zur Folge haben und bereits erhaltene Rechte nicht einschränken kann. Es liegt ein sog. abgeschlossener Tatbestand vor. Damit bleibt der Schweizer in jedem Fall Eigentümer des Autos.

Bereits entstandene dingliche Rechte bleiben dabei auch unter der neuen lex rei sitae bestehen – selbst wenn diese derartige Rechte nicht kennt.[5] Wie diesen zur Geltung verholfen werden kann, ist dabei – insbesondere im Unionsfall – äußerst umstritten. Regelmäßig wird ein funktionsäquivalentes Recht nach der lex rei sitae anerkannt, erforderlichenfalls im Wege der Angleichung bzw. Anpassung[6]. In Deutschland ist eine Ausübung derartiger Rechte jedenfalls nur in den Grenzen der geltenden Sachenrechtsordnung möglich, Art. 43 Abs. 2 EGBGB.

3. Anpassung bzw. Angleichung

Es kann vorkommen, dass ein Sachver­halt mehrere Anknüpfungsgegenstände und somit unterschiedliche Anknüp­fungspunkte bietet, sodass nicht eindeu­tig bestimmt werden kann, welchem Rechtsgebiet der Sachverhalt zuzuord­nen ist. Folge dessen ist, dass ein und derselbe Sachverhalt nicht mehr eindeu­tig von einer Rechtsordnung geregelt wird, sondern rein theoretisch verschie­dene Rechtsordnungen Anwendung fin­den. Unterschiedliche Rechtsordnungen sind aber nicht aufeinander abgestimmt, was zu Normwidersprüchen führen kann. Zur Lösung dieses Problems wurde das Instrument der Anpassung bzw. Angleichung geschaffen. Dabei wird entweder das Kollisionsrecht einer Rechtsordnung ausgedehnt und auf den gesamten Sachverhalt angewandt oder das Sachrecht wird modifiziert, um eine materiell-rechtliche Anpassung zu ermöglichen. Die regelmäßig ange­wandte sachrechtliche Lösung ist eine Wertungslösung, bei welcher das Ge­richt eine Sachnorm anwendet, die von keinem der berufenen Rechte zuvor vorgesehen war, dem Sachverhalt aber am besten Rechnung trägt. Es handelt sich damit um Billigkeitsrecht.

4. Ordre public

Eine weitere Billigkeitsregelung stellt die sog. Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB dar. Die Verweisung auf ein anderes Sachrecht kann unter Umständen dazu führen, dass das Ergebnis der Anwendung einer Norm aus einer ausländischen Rechtsordnung den wesentlichen Grundsätzen des deut­schen Rechtssystems widerspricht (Ver­stoß gegen die öffentliche Ordnung, ordre public). Für den Fall, dass eine offensichtliche Unvereinbarkeit des Er­gebnisses der angewandten Norm mit dem inländischen Rechtssystem festge­stellt wird, erlaubt Art. 6 EGBGB als Korrektiv unter bestimmten Umstän­den, diese Norm nicht anzuwenden. Dies wird auch als „Vorbehalt des ordre public“ bezeichnet.

Beispielsweise könnte die Anwendung des deutschen IPR dazu führen, dass iranisches Familienrecht für anwendbar erklärt wird. Nach iranischem Recht sind etwa polygame Ehen erlaubt. Da dies aber mit dem deutschen Rechtsgrundsatz der monogamen Ehe nicht vereinbar ist, wird dies als inakzeptabel behandelt und die entsprechende Rechtsnorm im Ergebnis nicht angewandt.

Das Instrument des ordre public erlaubt es daher, ausländische Normen in bestimmten Fällen nicht anzuwenden, obwohl das IPR darauf verweist.

Eine solche Korrektur kann auch in positiver Form auftreten. In diesem Fall greifen zwingende Vorschriften eines Staates immer ein, wenn der Sachverhalt in ihren Anwendungsbereich fällt, unge­achtet dessen, welche Rechtsordnung das IPR für anwendbar erklärt. Solche Vorschriften sind insofern international zwingend, da der Staat, in dem sie gel­ten, ihre Einhaltung für die Wahrung seines öffentlichen Interesses als unerlässlich ansieht. Diese Normen be­zeichnet man auch als Eingriffsnormen.

Beispiel 3: K erwirbt von V in England eine nigerianische Maske zum Preis von 5000 Euro. Die Parteien vereinbaren, dass englisches Recht auf den Vertrag anwendbar ist. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Maske nach nigeriani­schem Recht einem Exportverbot aus Gründen des nationalen Kulturgüterschutzes unterlag.

Gemäß der Rechtswahl der Parteien unterliegt der Vertrag somit englischem Recht. Allerdings fällt der Vertrag in den Anwendungsbereich der nigerianischen Verbotsnorm, da es sich bei dem Vertragsgegenstand um eine vom Exportverbot erfasste Sache handelt. Die Folge dessen ist, dass, obwohl das nigerianische Recht nach IPR nicht an­wendbar ist, das Exportverbot trotzdem greift, sodass der Vertrag unwirksam sein könnte. Die Verbotsvorschrift ist in diesem Fall die Eingriffsnorm.

III. Das deutsche IPR

Das deutsche IPR ist weitestgehend im EGBGB normiert. Im Jahr 2008 wurde von der Europäischen Union die Rom I-Verordnung erlassen, die das Kollisionsrecht für vertragliche Schuldverhältnisse mit Auslandsbezug, die nach dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, abschließend regelt. Als Resultat sind die Art. 27 bis 37 EGBGB weggefallen. Gleichermaßen regelt die Rom II-Verordnung das Kollisionsrecht in Bezug auf gesetzliche Schuldverhältnisse und verdrängt damit Art. 38 bis 42 EGBGB.

Im Folgenden sollen die für den internationalen Geschäftsverkehr wichtigsten Grundsätze des deutschen IPR her­vorgehoben werden.

1. Personenrecht (Art. 7-12 EGBGB)

Die Rechtsfähigkeit (die Fähigkeit, selbstständig Träger von Rechten und Pflichten zu sein), ebenso wie die Ge­schäftsfähigkeit (die Fähigkeit, sich durch rechtsgeschäftliche Erklärungen rechtlich zu binden) einer natürlichen Person sind in Art. 7 Abs. 1 EGBGB geregelt. Beides bestimmt sich nach dem Heimatrecht.

Ein internationales Gesellschaftsrecht ist im deutschen internationalen Privatrecht allerdings nicht kodifiziert. Im IPR als reines Kollisiosnrecht finden sich, anders als z.B. in § 13 GmbHG, der bestimmt, dass eine GmbH eine juristische Person ist und als solche selbst rechtsfähig ist, keine Regelungen zur Bestimmung des Personalstatuts von Gesellschaften (sog. Gesellschaftsstatut). Auch fehlt eine Kollisionsnorm im EGBGB. Als Anknüpfungspunkt für die Beurteilung des Gesellschaftsstatuts kommt daher nur (1) die Rechtsordnung des Gründungsorts (so die „Gründungs-theorie“) oder (2) die des Sitzes der Gesellschaft (so die „Sitztheorie“) in Betracht. Der BGH und die herrschende Meinung in Deutschland folgen zwar bisher grundsätzlich der Sitztheorie. Jedoch gilt in Fällen mit Bezug zum EU-Ausland nach ständiger Rechtsrepchung des EuGH[7] ausnahmslos die Gründungstheorie. Die Anwendung der Sitztheorie durch die deutsche Rechtsprechung hatte zuvor dazu geführt, dass Gesellschaften, die im EU-Ausland nach ausländischem Recht gegründet wurden und einen Sitz in Deutschland hatten, nach deutschem Gesellschaftsrecht nicht anerkannt wurden, da in Deutschland nur solchen Gesellschaften Rechte und Pflichten einer deutschen Gesellschaft zuerkannt werden können, die auch in den deutschen Gesetzen geregelt sind. Die deutsche Rechtsprechung qualifizierte daher beispielsweise eine englische „Limited“ ursprünglich nach der Sitztheorie als nicht mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vergleichbar. Mangels einer Regelung im deutschen Gesetz wurde die „Limited“ als einfache Gesellschaft bürgerlichen Rechts behandelt und war nach deutschem Verständnis infolgedessen keine juristische Person. Als solche war die Gesellschaft – nach zwischenzeitlich überholter Auffassung – vor deutschen Gerichten nicht parteifähig.

Die Sitztheorie verstößt im Unionsfall aber nach Maßgabe des EuGH gegen die Niederlassungsfreiheit der Art. 49 ff. AEUV. Innerhalb der EU gilt demnach, dass sich das anzuwendende Recht nicht ändert, wenn die Gesellschaft ihren Sitz nach Gründung in ein anderes Land verlegt. Diese Entscheidungen haben in Deutschland zu einer starken Zunahme von englischen „Limiteds“[8] geführt.

2. Vertragliche Schuldverhältnisse, Rom I (ehem. Art. 27-37 EGBGB)

Art. 3 Nr. 2 EGBGB verweist im Falle von Kaufverträgen auf die materiell-rechtlichen Regelungen des United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG, auch UN-Kaufrecht), soweit dieses Abkommen unmittelbar anwendbares Recht geworden ist. Kommt das CISG bei sämtlichen Vertragsparteien zur unmittelbaren Anwendung, treten Kollisionsprobleme gar nicht erst auf. Eine Reihe bedeutender Wirtschafts-nationen, so auch Deutschland, haben das CISG bis heute implementiert (näheres zum CISG s. unten IV 2).

Für alle anderen vertraglichen Schuldverhältnisse gilt gem. Art. 3 Nr. 1 lit. b) EGBGB die Rom I-VO. Die Verordnung ist seit dem 17. Dezember 2009 in Kraft und ersetzt Art. 27 bis 37 EGBGB.

Nach Art. 3 der Rom I-VO unterliegt der Vertrag vorrangig dem von den Parteien gewählten Recht, wobei die Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder den Umständen zu entnehmen sein muss. Im Übrigen sind die Vorgaben der Art. 10, 11 und 13 Rom I-VO zu berücksichtigen. Findet eine solche Rechtswahl nicht statt, bestimmt sich das auf den Vertrag anzuwendende Recht – unbeschadet der Sonderregelungen in Art. 5 bis 8 Rom I-VO – nach Art. 4 der Rom I-VO:

·         Kaufverträge (für den Fall, dass CISG nicht anwendbar ist) unterlie­gen dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

·         Dienstleistungsverträge richten sich nach dem Recht am Sitz des Dienstleisters.

·         Verträge über dingliche Rechte, Miete oder Pacht unterliegen dem Recht des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

·         Franchiseverträge richten sich nach dem Recht am Sitz des Franchisenehmers.

·         Vertriebsverträge richten sich nach dem Recht am Sitz des Vertriebshändlers.

Wie sich aus Art. 2 ergibt, folgt die Rom I-VO dabei dem Grundsatz der universellen Anwendung. Obige Grundsätze können daher nicht nur zur Anwendung des Rechts eines Mitgliedstaates, sondern auch des Rechts eines Drittstaates führen. Ferner wirkt die Rom I-VO als universal wirkende loi uniforme gleichsam gegenüber Mitglieds- und Drittstaaten.

Sind die Bestandteile eines Vertrages unterschiedlich, was im internationalen Wirtschaftsrecht in der Regel der Fall ist, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Aufenthaltsstaates der Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leis­tung zu erbringen hat (Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO). Eine Vertragsspaltung ist unzulässig. Etwas anderes gilt ausnahmsweise jedoch, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht; dann findet das Recht dieses Staates Anwendung (Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO). Diese Regelung ist, ihrem Wesen als Korrektur- bzw. Ausweichklausel entsprechend, eng auszulegen.

3. Gesetzliche Schuldverhältnisse, Rom II

Das deutsche IPR regelt die gesetzlichen Schuldverhältnisse (z.B. Bereicherungsrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag, etc.) in den Art. 38 bis 42 EGBGB. Diese werden von der gem. Art. 3 Rom II-VO universal wirkenden, als loi uniforme ausgestalteten, Rom II-Verordnung (Rom II-VO) verdrängt, da die Verordnung in Deutschland unmittelbar anwendbares Recht ist, Art. 3 Nr. 1 lit. a) EGBGB.

Auch im Rahmen der gesetzlichen Schuldverhältnisse ist gemäß Art. 14 der Rom II-VO die freie Rechtswahl möglich. Erfolgt eine solche, genießt sie Vorrang vor den Regelungen der Art. 4 ff. Rom II-VO. Zu unterscheiden ist dabei zwischen vorheriger und nachträglicher Rechtswahl. Während die nachträgliche Rechtswahl immer möglich ist, ist die vorherige Rechtswahl nur bei beiderseitiger kommerzieller Tätigkeit der Parteien vorgesehen.

Ist keine Rechtswahl getroffen, wird bei unerlaubten Handlungen (Deliktsrecht) gem. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO grund­sätzlich an den Ort des Schadenseintritts angeknüpft. Hier kommt es aber nur auf den unmittelbaren Schaden an nicht auf mittelbare Schäden, die möglicher­weise in Drittländern eintreten können. Es kommt auch nicht darauf an, in welchem Staat das Ereignis eingetreten ist, welches zu dem Schaden geführt hat.

Beispiel 4: Der in London wohnende Brite B wird bei einem Verkehrsunfall in Köln von dem dort ansässigen Deut­schen D schwer verletzt. Nach Behand­lung im Kölner Krankenhaus wird B nach London verlegt, wo er an den Unfallfolgen stirbt. In diesem Fall tritt der unmittelbare Schaden in Köln, also in Deutschland ein und der mittelbare Schaden in England. Da es bei der Be­stimmung des anwendbaren Rechts auf den Ort des Eintritts des unmittelbaren Schadens ankommt, ist auf die Scha­densersatzansprüche des B (bzw. der Erben des B) gegen D deutsches Recht anwendbar.

Anders verhält es sich, wenn beide Beteiligte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. In einem solchen Fall findet qua Gesetz gem. Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO das Recht dieses Staates Anwendung. Der Abs. 2 genießt insoweit Vorrang vor dem Abs. 1 der Norm.

Die Regelungen des Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom I-VO stehen dabei unter der restriktiv auszulegenden Korrekturvorschrift des Abs. 3 der Norm. Eine Rechtswahl nach Art. 14 Rom I-VO bleibt hiervon unberührt.

Im Rahmen der Produkthaftung ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Rom II-VO unbeschadet der Regelung des Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO für die Ermittlung des anzuwendenden Rechts eine Anknüpfung nach folgendem Stufenverhältnis vorzunehmen. Es gilt das Recht:

·         Des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten, sofern das Produkt dort in Verkehr gebracht wurde,

·         anderenfalls des Erwerbsorts des Produktes, falls das Produkt dort in Verkehrt gebracht wurde,

·         wenn dies nicht zutrifft, des Ortes des Primärschadens, falls das Produkt dort in Verkehr gebracht wurde.

Die Beweislast bzgl. des Nichtvorliegens der Voraussetzungen einer Stufe trägt dabei der Geschädigte. Ferner steht obige Anknüpfungsregelung zu Gunsten des Ersatzpflichtigen unter einem Vorhersehbarkeitsvorbehalt. Schließlich besteht in Art. 5 Abs. 2 Rom II-VO ein Vorbehalt der engeren Verbindung.

Handelt es sich um andere gesetzliche Schuldverhältnisse, wie ungerechtfer­tigte Bereicherung nach Art. 10 oder Geschäftsführung ohne Auftrag nach Art. 11 oder Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contra­hendo, c.i.c.) nach Art. 12 Rom II-VO, so ist vorbehaltlich einer Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO zu differenzieren:

·         Nach Abs. 1 der Normen gilt bei einem Anspruch, der an ein beste­hendes Rechtsverhältnis anknüpft, das Recht des Staates, in dem dieses Verhältnis begründet wurde, oder im Fall der c.ic. geschlossen worden wäre. Maßgeblich ist also das (hypothetische) Vertragsstatut.

·         Ist eine Bestimmung hiernach nicht möglich und haben die Parteien zum Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, gilt nach Abs. 2 der Art. 10 und 11 bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. b) Rom II-VO das Recht dieses Staates.

·         Ist auch eine derartige Bestimmung nicht möglich, gilt nach Abs. 3 der Art. 10 und 11 bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) Rom II-VO das Recht des Staates in dem die ungerechtfertigte Bereicherung bzw. der Schaden eingetreten bzw. die Geschäftsführung erfolgt ist.

Schließlich gilt auch hier nach Abs. 4 der Art. 10 und 11 bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. c) Rom II-VO der Vorbehalt der engeren Verbindung.

Obige Anknüpfungsleiter gilt trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts („oder“) des Art. 12 Abs. 2 Rom II-VO. Abgrenzungsprobleme ergeben sich zudem im Falle von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung bei der Rückabwicklung nichtiger, unwirksamer oder fehlerhafter Vertragsverhältnisse. In diesen Fällen greift unmittelbar Art. 12 Abs. 1 lit. e Rom I-VO als lex specialis vor Art. 10 Abs. 2 Rom II-VO.

4. Das internationale Sachenrecht (Art. 43 – 46 EGBGB)

Das Sachenrecht umfasst die rechtliche Würdigung von allen beweglichen und unbeweglichen Dingen. Hierfür gilt der Grundsatz, dass derartige Fragen nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, in dem sie belegen sind (lex rei sitae). Nur dann, wenn eine wesentlich engere Verbindung zu einem anderen Land besteht, kann ausnahmsweise ein anderes Recht gelten. Dies ist aber bei Immobilien nie der Fall und auch bei beweglichen Sachen nur sehr restriktiv anzuwenden.

Häufig kommt es wie in Beispiel 2 zu Statutenwechseln im Sachenrecht. Hier sind die Verkehrsinteressen der beteilig­ten Parteien gegeneinander abzuwägen.

5. Abwendung von der Anwendbarkeit des IPR

In den letzten Jahren kam es in internationalen Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit internationa­lem Bezug vermehrt dazu, dass die Par­teien sich auf ein bestimmtes anwendba­res nationales Recht geeinigt haben und das IPR und seine Kollisionsklauseln durch Parteivereinbarung vollkommen ausschließen wollten. Daher wird bis heute häufig wie folgt formuliert:

„Der Vertrag unterliegt deutschem Recht unter Ausschluss des IPR.“

Schon aus dem bislang Vorgetragenen geht hervor, dass eine derartige Formulierung nicht nur falsch ist, son­dern unter Umständen gar neues Konfliktpotenzial zwischen den Parteien schüren kann.

Es ist zuzugeben, dass diese Formulierung auch bereits in For­mularhandbücher Einzug gefunden hat.[9] Erklärbar ist dies nur mit einer un­kritischen Übernahme der amerikani­schen Vertragspraxis, welche dazu ten­diert, schlicht alles Unerwünschte auszu­schließen und eine salvatorische Klausel an den Schluss zu setzen, welche ungül­tige Klauseln für unanwendbar erklärt, was den Vertrag in seiner Wirksamkeit jedoch nicht berühren soll.

Eine derartige Regelung verkennt, dass jede Prüfung eines Sachverhalts mit Auslandsbezug zwingend mit der Frage nach dem anwendbaren Recht beginnt. Art. 3 EGBGB ist immer von Amts wegen zu prüfen.

Ein pauschaler Ausschluss des Kollisionsrechts ist nicht möglich, da dieses nicht zur Disposition der Parteien steht. Darüber hinaus würde eine derartige Vereinbarung die Bestimmung des Vertragsstatuts unmöglich machen, da sie gar nicht erkennen lässt, welches Recht auf den Vertrag überhaupt anwendbar sein soll.

Vielmehr gewährt das IPR den Parteien gerade erst das Recht zur Rechtswahl – und schränkt dieses zugleich ein.

Diesem Grundverständnis folgend, sind nach europäischem Verständnis Rechtswahlklauseln stets und zwingend als reine Sachnormverweisungen zu verstehen, vgl. Art. 20 Rom I-VO, zuvor bereits Art. 35, 27 EGBGB ferner Art 4 Abs. 2 S. 2 EGBGBG, wonach die Parteien, soweit sie das Recht eines Staates wählen können, nur auf dessen Sachvorschriften verweisen können (sog. Sachnormverweisung). Ein Verweis auf ausländisches Recht unter Einschluss dessen Kollisionsrechts (sog. Gesamtverweisung) ist nicht möglich.

Wie oben dargelegt, sind im IPR nämlich – und das ist einer der grundlegenden Gedanken dieses Rechtsgebiets – auch zwingende Kollisionsnormen niedergeschrieben, so insbesondere für das Sachenrecht. Der Ausschluss des IPR würde aber voraussetzen, dass den Parteien auch diesbezüglich eine Wahl zugebilligt wird. Dies ist aber gerade nicht der Fall, da Rechtssicherheit gewährleistet werden soll.

Beispiel 5: Ein Deutscher kauft von einem Thailänder ein Haus. In dem Kaufvertrag wird deutsches Recht vereinbart unter Ausschluss des IPR. Wäre dies möglich, würde es dazu füh­ren, dass die thailändischen Behörden die Übertragung des Hauses nach deut­schem Recht vornehmen müssten. Das ist selbstverständlich nicht möglich. In Thailand kann ein Ausländer ein Haus zwar kaufen, aber im Gegensatz zu Deutschland wird nicht das Grundstück mit übertragen, sondern der Ausländer kann das Grundstück maximal 30 Jahre mieten (und ggf. um weitere 30 Jahre verlängern).

Dieses Beispiel zeigt, dass der Aus­schluss des IPR, jedenfalls vollumfäng­lich, nicht möglich ist und die oben ge­nannte häufig genutzte Klausel somit nicht nur überflüssig, sondern falsch ist. Überflüssige Klauseln, insbesondere wenn es sich um (Nicht-) Anwen­dungsklauseln handelt, bergen die Ge­fahr von Auslegungsstreitigkeiten. Derartige Spekulationen sollen aber gerade mittels einer ausgewogenen Ver­tragsgestaltung verhindert werden. Es bleibt festzuhalten, dass Rechtswahlklau­seln ohne Ausschluss des IPR im Ge­schäftsverkehr allgemein gebräuchlich und zu empfehlen sind.

Die Formulierungen variieren stark. Sie könnte aber schon schlicht lauten:

„Dieser Vertrag unterliegt deutschem Recht.“

„This contract shall be governed by the laws of Germany.“

Teilweise wird vorgeschlagen, die obige Klausel – insb. im Drittstaatenfall – wie folgt zu konkretisieren:

„Dieser Vertrag unterliegt deutschem Sachrecht.“[10]

Hierdurch soll deutlich gemacht werden, dass ein Verweis auf das nationale Kollisionsrecht des Staates ausdrücklich nicht gewollt ist. Das entscheidende drittstaatliche Gericht soll die Klausel nicht fälschlicheweise als Gesamtverweisung verstehen. Anders als im Unions-Fall ist in Drittstaaten eine Gesamtverweisung durch die Parteien nämlich nicht generell ausgeschlossen (s.o.).

Derart soll verhindert werden, dass das entscheidende, drittstaatliche Gericht unter der irrigen Annahme eines Gesamtverweises, ausländisches Kollisionsrecht anwendet, derart zu einem Rück- oder Weiterverweis gelangt und so letztlich entgegen des Parteiwillens ein anderes Sachrecht Anwendung findet, als beabsichtigt.

Die Problematik stellt sich allerdings nur bei einem Auseinanderfallen von Gerichtsstand und Rechtswahl. Da dies nur äußerst selten der Fall ist, ist die praktische Relevanz der Problematik bereits aus deisem Grund recht beschränkt. Es dürfte sich hier allenfalls um Fälle handeln, in denen im Einzelfall bewusst ein vom anwendbaren Recht abweichender Gerichtsstand gewählt wurde, oder eine Rechtswahl zwar getroffen wurde, eine Gerichtsstands-vereinbarung aber fehlt oder unbeachtlich ist.

Eine weitere Einschränkung der praktischen Relevanz ergibt sich dadurch, dass der der durch die Klausel zu vermeidende Fall ferner nur dann denkbar ist, wenn nicht nur die Rechtswahlklausel irrigerweise als Gesamtverweisung verstanden wird (s.o.), sondern zusätzlich auch das ausländische Kollisionsrechts fehlerhaft angewendet wird.

Denn auch im Drittstaatenfall akzeptiert das vermeintlich zur Anwendung berufene ausländische IPR seinerseits die Rechtswahl der Parteien. Nahezu jede Rechtsordnung weltweit lässt im Schuldvertragsrecht eine Rechtswahl zu Es kommt damit faktisch nie zu der befürchteten Rück- oder Weiterverweisung in eine nicht vorhersehbare Rechtsordnung. Vielmehr wäre das gewählte ausländische Sachrecht jedenfalls über den Umweg der ausländischen Kollisionsrechtsprüfung anwendbar.

Auch wenn damit die praktische Relevanz letztlich äußerst gering sein dürfte, kann an der auf das Sachrecht konkretisieren Klausel festgehalten werden. Sie ist nachvollziehbar und jedenfalls nicht falsch. Zwingend ist die Klausel in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle jedoch auch nicht.

IV. Ausgestaltung internationaler Verträge

Unternehmen, die international tätig sind und somit Verträge mit Partnern in einer Vielzahl von Ländern abschließen, sollten stets darauf achten, welches Recht auf den jeweiligen Vertrag anwendbar ist. Mangels einer ausdrückli­chen Rechtswahl der Parteien bestimmt sich das anwendbare Recht nach dem IPR. Bei Verfahren vor dem Gericht  eines Mitgliedsstaats der EU bestimmt sich das anwendbare Recht nach Art. 4 der Rom I-VO. Im Drittstaatenfall bestimmt sich das anwendbare Recht nach dem jeweiligen IPR am Sitz des entscheidenden Gerichts (lex fori). Allerdings ist es für die Vertragsparteien nicht immer wünschenswert, dass die Rechtsordnung, zu der das Gericht durch Anwendung des IPR gelangt, den Vertrag regelt. Deshalb empfiehlt es sich bei Verträgen mit Parteien unterschiedlicher Nationalitäten eine ausdrückliche Rechtswahl zu treffen. Dies kann durch eine einfache Klausel (s.  oben Punkt III. 5.) im Vertrag geschehen.

Die Wahl zu Gunsten der eigenen natio­nalen Rechtsordnung kann unter Umständen zu längeren Verhandlungen mit der anderen Vertragspartei führen, wenn diese mit der gewählten Rechtsordnung nicht vertraut ist. Aus diesem Grund wäre ein weltweit ein­heitlich anwendbares Recht wün­schenswert. Ein solches Recht gibt es jedoch bisher nur für internationale Kaufverträge, nämlich das CISG.

1. CISG als Rechtswahl

Im Rahmen internationaler Kaufverträge ist eine Rechtswahl zugunsten des UN-Kaufrechts eine günstige Alternative. Wie bereits erwähnt, kann dies ausdrücklich erfolgen. Zu beachten ist jedoch, dass das CISG auch ohne aus­drückliche Rechtswahl auf Verträge an­wendbar sein kann, die zwischen Par­teien geschlossen werden, die ihre Niederlassungen in Vertragsstaaten des CISG haben, wenn das IPR dieser Staa­ten das CISG als unmittelbar anwendbar erklärt.

Beispielsweise kauft ein australischer Großhändler Waren von einem deut­schen Unternehmen ein. Die Parteien treffen im Kaufvertrag keine ausdrückli­che Rechtswahl. In diesem Fall gelangt man durch Anwendung des IPR zum Ergebnis, dass das CISG auf diesen Ver­trag Anwendung findet. Grund dafür ist, dass sowohl Australien als auch Deutschland Vertragsstaaten des CISG sind und das CISG daher in beiden Staaten vorrangig vor dem nationalen Recht unmittelbar anwendbar ist.

a) Grundsätzliches zum CISG

Rechtsklauseln in internationalen Verträ­gen haben in der Vergangenheit häufig dazu geneigt, die Geltung von CISG auszuschließen. Zunehmend aber bedie­nen sich große Handelsgesellschaften des vom CISG bereitgestellten Rechtsrahmens.

Klarer Vorteil des CISG ist, dass die Regelungen einen weltweit anerkannten Standard für den internationalen Handel darstellen. Sie sind unter Berücksichti­gung allgemeingültiger Handelsbräuche speziell für Transaktionen im internationalen Geschäftsverkehr entworfen worden und werden als ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien empfunden. Bereits auf ge­schätzte 80% aller abgeschlossenen internationalen Verträge ist das CISG anwendbar.

Großer Vorteil des CISG ist auch, dass die einzelnen Regelungen im Allgemei­nen nicht nur für Juristen, sondern auch für Geschäftsleute, also die unmittelba­ren Anwender, einfach verständlich sind. Eine einheitliche Terminologie begüns­tigt zudem auch die einheitliche Ausle­gung der jeweiligen Klauseln vor den Gerichten verschiedener Staaten. Inzwi­schen hat sich nicht nur eine ausgereifte Dogmatik herauskristallisiert, sondern zudem auch eine umfangreiche Rechtsprechung. Bei der Auslegung der Konvention greifen die nationalen Ge­richte regelmäßig auch auf die Recht­sprechung der Gerichte anderer Staaten zurück, was zu einer hohen Rechtssicherheit führt.

Die Konvention ist von mehr als 80 Staaten ratifiziert worden.[11] Unter den Unterzeichnern befinden sich führende Wirtschaftsnationen wie China, Deutschland, Japan, Russland und die USA, aber auch Australien, Frankreich, Singapur und weitere geschäftsrelevante Staaten.

Zwar haben Staaten wie Indien, Hongkong, Großbritannien und Thailand das CISG noch nicht unter­zeichnet, doch kann eine Anwendung dieser Regelungen individualvertraglich vereinbart werden, was im Allgemeinen zu mehr Rechtssicherheit führen kann, da bei der Interpretation durch die Ge­richte die einschlägige Rechtsprechung über das CISG herangezogen werden kann.

b) CISG als Rechtswahl

Verträge auf der Grundlage des CISG eignen sich besonders für Geschäfte im internationalen Handelsverkehr, um Probleme, die sich aufgrund unter­schiedlicher Rechtsordnungen ergeben, auszuräumen. Gerade bei Geschäften in Rechtssystemen, die weniger konstant sind als das deutsche System, kann es mangels Vollstreckungsabkommen dazu kommen, dass ausschließlich eine Klage vor dem Gericht des Handelspartners geeignet und zielführend ist, um einen rechtswirksamen Titel zu erlangen, da ein deutsches Urteil im Land des Geschäftspartners nicht vollstreckbar wäre, so z.B. in China.[12] Wenn aber in dem Vertrag ein fremdes Recht festgelegt wurde, dann muss sich das jeweilige Gericht mit diesem Recht auseinandersetzen. Das bedeutet nicht nur erhebliche Kosten und Zeitaufwand für Übersetzungen, Gutachter, etc., sondern birgt insbesondere auch die Gefahr, dass die entscheidenden Richter die Zusammenhänge nicht richtig erfassen und zu einem fehlerhaften Urteil gelangen. Diese Probleme können aber gerade durch eine intelligente Ausgestaltung des Vertrags oder der AGB auf der Grundlage des CISG ausgeräumt werden, da es sich um ein einheitliches Regelwerk handelt, das in allen Mitgliedsländern gleichermaßen in lokales Recht umgesetzt worden ist. Die entscheidenden Institutionen können dann auf ein entsprechendes Informa­tionsangebot zurückgreifen.

Es ist zuzugeben, dass das CISG in be­stimmten Fällen strengere Vorgaben stellt als nationale Rechtsordnungen. Die Frage z.B., ob Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil geworden sind oder nicht, stellt eine höhere Hürde im CISG dar als es im deutschen Recht nach §§ 305 ff. BGB der Fall ist. Nach dem CISG reicht es beispielsweise nicht aus, dass lediglich auf die Geltung von AGB verwiesen wird, die dann häufig nur noch als Softcopy online verfügbar sind. Stattdessen müssen die AGB im Einzel­fall tatsächlich und ausgedruckt zur Ver­fügung gestellt und die Geltung explizit vereinbart werden. Das aber spricht in­des nicht gegen die Anwendung des CISG. Mit nur geringem zusätzlichem Aufwand kann mittels Einbeziehungskontrolle gemäß CISG verhindert werden, dass nationale Hürden für die Einbeziehung zum Tragen kommen, die mitunter noch höhere Anforderungen stellen können.

Es bleibt jedoch jedem Ersteller, unabhängig vom CISG, unbenommen, einzelne Klauseln entsprechend den eigenen Vorstellungen anzupassen oder zu ändern, da die Anwendungskaskade dieselbe bleibt und wie folgt lautet:

Individualabreden zwischen

den Parteien

ò

der Wortlaut des Vertrages

ò

gegebenenfalls ein

Framework Agreement

ò

AGB

ò

CISG

ò

nationales Recht (falls vereinbart)

ò

Richterrecht

 

Insofern gehen multinationale Un­ternehmen kein Risiko ein, wenn sie die Anwendung des CISG in ihren Verträ­gen vereinbaren. Vielmehr vereinfachen sie die Handhabung und die Koordination ihrer internationalen Ein­käufe und Verkäufe.

 

2.  Notwendige Zusätze in internatio­nalen Verträgen

 

Es sind eine Reihe wichtiger Urteile zum CISG ergangen, auf die im Folgenden zum Teil kurz eingegangen werden soll.

 

a) Härtefall, Art. 79 CISG

 

Der oberste Gerichtshof in Belgien hatte über die Härtefallregelung in Art. 79 CISG zu entscheiden. Hiernach hat „[…] eine Partei für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie be­weist, dass die Nichterfüllung auf einem außer­halb ihres Einflussbereichs liegenden Hinter­grund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hintergrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen […]“.

 

Ein französischer Verkäufer und ein nie­derländischer Käufer hatten einen Ver­trag geschlossen, nach dem der Franzose dem Niederländer Gerüste aus Stahl lie­fern sollte. Der Stahlpreis hatte sich nach dem Vertragsabschluss um 70% erhöht. Der Verkäufer bat den Käufer daraufhin um Neuverhandlung des Vertrages. Dies lehnte der Käufer ab mit der Begründung, die Preisexplosion falle in den Gefahrenbereich des Verkäufers. Da Leistungsort des Vertrages Belgien war, waren die belgischen Gerichte man­gels anderweitiger Absprache zuständig. Da sich im belgischen IPR eine zu Art. 3 Nr. 2 EGBGB entsprechende Regelung findet, fand auf den Vertrag das CISG Anwendung.

 

Der oberste Gerichtshof in Belgien ur­teilte, dass es sich um einen Härtefall für den Verkäufer handelt, wenn sich der Rohstoffpreis derartig erhöht. Es war nicht absehbar, dass der Preis sich derar­tig entwickeln würde. Der Franzose wurde zu einer Neuverhandlung des Vertrages verurteilt.

 

Ungeachtet des wenig überzeugenden Ergebnisses, welches sich nicht an den typischen wirtschaftlichen Gefahrverteilungsregeln orientiert, ist diesem Urteil im Rahmen von Vertragsverhandlungen Rechnung zu tragen. Es ist ratsam, aus Verkäufersicht im Kaufvertrag eine Neuverhandlungs­klausel aufzunehmen, welche unter be­stimmten Umständen einer der Parteien die Möglichkeit einräumt, den Vertrag neu zu verhandeln oder in bestimmten Passagen anzupassen. So wäre es zum Beispiel denkbar festzulegen, dass für den Fall einer bestimmten prozentualen Steigerung der Rohstoffpreise der Vertrag neu verhandelt werden soll.

 

Wenn eine Partei auf der anderen Seite gerade keine Neuverhandlungen will und sicher gehen möchte, dass der Preis unverändert bleibt, sollte den Vorausset­zungen des Art. 79 CISG Rechnung getragen werden. Das ginge beispiels­weise, indem entweder im Vertrag oder einer Zusatzvereinbarung festgehalten wird, dass sich beide Parteien über eine Verteuerung der Rohstoffe im Klaren sind.

 

b) Geltung fremdsprachiger AGB, Art. 8, 9, 14 CISG

 

Wie bereits erläutert, stellen die Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB im Rahmen des CISG eine grö­ßere Hürde dar als dies beim deutschen BGB der Fall ist. Sie müssen schriftlich und grundsätzlich auch ausdrücklich mitgeteilt werden.

 

In internationalen Verträgen wird häufig die englische Sprache zur Vertragssprache erklärt. Das hat grundsätzlich zur Folge, dass alle Änderungen, schriftlich oder – falls vorgesehen – auch mündlich, auf Englisch verfasst werden müssen, mithin auch gegebenenfalls vorgesehene AGB.

 

Der umseitige Abdruck von AGB war in einem Fall gegeben, den der Oberste Gerichtshof in Österreich zu ent­scheiden hatte. Hier standen sich ein Verkäufer aus Österreich und ein Käu­fer aus Hongkong im Streit gegenüber. Die Parteien konnten auf eine mehrjäh­rige Geschäftsbeziehung zurückschauen. Als Vertragssprache war Englisch vereinbart. Der Verkäufer hatte auf der jeweiligen Auftragsbestätigung auf der Vorderseite einen englischen Hinweis auf die umseitigen deutschsprachigen AGB aufgenommen und darin Öster­reich als Gerichtsstand aufgenommen. Das Gericht musste sich damit auseinan­dersetzen, ob der Gerichtsstand ordnungsgemäß vereinbart wurde, da ansonsten Hongkong Gerichtsstand gewesen wäre. Der Oberste Gerichtshof entschied zugunsten des Klägers und stellte folgende Grundsätze auf:

 

·         Grundsätzlich müssen die AGB in der Vertragssprache verfasst werden, ansonsten werden sie nicht Ver­tragsbestandteil.

·         Nur im Ausnahmefall können die Grundzüge des Art. 9 CISG herangezogen werden. Wenn näm­lich die Parteien in einer längeren Geschäftsbeziehung standen und eine Partei die AGB immer in einer fremden Sprache verfasst hat, kön­nen die Grundsätze des Handels­brauchs herangezogen werden. Das gilt aber nur dann, wenn auch in der Vergangenheit ein für die andere Partei verständlicher Hinweis auf der Vorderseite des Vertrages mit aufge­nommen wurde. Dann ist davon auszugehen, dass der Empfänger sich mit den AGB auseinanderge­setzt und sie verstanden, mithin ak­zeptiert hat.

 

c) Beweislast bei Mängelrüge, Art. 35 ff. CISG

 

Ein Großteil der Entscheidungen be­zieht sich auf Mängelrügen und Beweislastfragen im Rahmen der Anwendung des CISG. Hierauf soll kurz eingegangen werden. Aufgrund der Tatsache, dass das CISG sich stark an dem Wortlaut des deutschen Kaufrechts orientiert, ist auch die Beweislast im Falle einer Mängelrüge sehr an die Prinzipien des deutschen Kaufrechts angelehnt.

 

Vom Zeitpunkt des Gefahrübergangs an ist der Käufer beweispflichtig dafür, dass die Ware zum Zeitpunkt des Übergangs nicht in dem vereinbarten Zustand war.

Dieser Zeitpunkt orientiert sich an der vertraglichen Abrede bzgl. der Lieferpflichten bzw. des Gefahrübergangs. Eine Anknüpfung an Incoterms ist möglich.

 

Es sind vorbehaltlich der Fälle des Kaufs sog. reisender Ware (Art. 68 CISG) drei Konstellationen denkbar:

 

·         Im Falle einer Holschuld hat der Verkäufer das Produkt auf seinem Werksgelände bereitzustellen und der Käufer muss es auf eigene Gefahr abholen. Der Gefahrübergang erfolgt nach Art. 69 Abs. 1 CISG zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer oder dessen beauftragte Transportperson. Ferner führt auch der Eintritt eines Abnahmeverzugs zu einem Gefahrübergang auf den Käufer. Anders als nach deutschem Recht genügt bei Gattungsschulden die bloße Aussonderung allein jedoch nicht.

·         Im Falle einer Schickschuld (Versendungskauf im Sinne des Art. 67 Abs. 1 Satz 1 CISG) über­nimmt der Verkäufer die Lieferung durch eine beauftragte Transportperson an den Käufer. Der Gefahrübergang findet dann gem. Art. 69 Abs. 2 CISG bei der Über­gabe an die erste Transportperson statt. Die Transportperson haftet für etwaige Schäden.

·         Im Falle der Bringschuld liefert der Verkäufer die Produkte selbst oder durch einen Dritten zur Erfüllung seiner eigenen Verpflichtung an den Käufer. Der Gefahrübergang findet bei der Übergabe des Produkts an den Käufer bzw. bei verzugsauslösendem Angebot statt. Etwaige Transportschäden am Produkt fallen dem Verkäufer zur Last, ggf. über Art. 79 Abs. 2 CISG.

 

Bei der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung der Schickschuld von der Bringschuld genügt allein der Umstand, dass der Verkäufer die Versandkosten übernimmt, nicht für eine rechtssichere Bestimmung des Leistungsorts.[13] Maßgeblich ist vielmehr die ausdrücklich oder konkludent geschlossene Parteivereinbarung. Hilfsweise ist das Gewollte aus den Umständen, z.B. der Natur des Schuldverhältnisses herauszuarbeiten.

 

Generell liegt es im Interesse des Verkäufers, den Gefahrenübergang auf einen möglichst frühen Zeitpunkt zu verlegen. Insbesondere im Falle von Verschiffungen kann so die Gefahr des Untergangs der Sache auf den Käufer oder einen vom Käufer beauftragten Versender übertragen werden.

 

V. Fazit

 

Es ist schwer verständlich, warum die immer noch gängige Praxis, in internationalen Verträgen das IPR und ebenso das CISG auszuschließen, bis­lang kein Ende gefunden hat.

 

Wie dargelegt, ist es nicht möglich, das IPR auszuschließen, weshalb eine solche Ausschlussklausel überflüssig ist. Da Überflüssiges regelmäßig Unklarheiten und Konfusionen hervorruft, ist es sehr ratsam, diese Klausel wegzulassen.

 

Ferner wird der Nutzwert der Anwen­dung des CISG regelmäßig unterschätzt. Es ist im Falle multinationaler Unternehmen im Hinblick auf das Ver­tragsmanagement immer ratsam, ein weltweit anwendbares Recht zu wählen. Das ist bisher nur bei internationalen Kaufverträgen mit der Anwendung des CISG möglich.

 

Für internationale Verträge anderer Art sollte, in Ermangelung eines solchen einheitlichen Rechts, stets eine Rechtswahl vereinbart werden, sodass es nicht zu der Anwendung einer Rechts-ordnung kommt, mit der die Parteien nicht gerechnet haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

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