Newsletter No. 199

NL199 E-Commerce in China (6 seiten)

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  1. Einleitung

Als elektronischen Handel bzw. Onlinehan­del bezeichnet man die Abwicklung von Ge­schäftsvorgängen mittels Datenübertragung, i.d.R. über das Internet, entweder zwischen Unternehmern und Verbrauchern („Business-to-Consumer“ oder „B2C“) oder zwischen zwei Unternehmern („Business-to-Business“ oder „B2B“). Zu Beginn des neuen Jahrtausends entwickelte sich der chi­nesische Markt für Onlinehandel eher schleppend, da die chinesischen Verbraucher das Produkt gerne zuerst in der Hand halten und begutachten wollten und von daher der Einkauf im Internet zuerst Misstrauen aus­löste.

In China ist die Anzahl der Online-Shopper allerdings seit 2007 von 46 Millionen zu 533 Millionen im Jahr 2017 angestiegen. Nach aktuellen Berichten macht der chinesische Online-Handel mittlerweile 40 % des globalen E-Commerce-Handel aus. Dieses schnelle Wachstum des Marktes allgemein und das damit verbundene Wachstum einzelner Markteilnehmer – wie bspw. Alibaba (einschließlich TMall) mit 58 %, gefolgt von JD.com mit rund 27 % – führte dazu, dass es neuer Reglementierungen bedurfte. Schätzungen zu Folge soll bis 2025 die Gesamtgröße des chinisischen E-Commerce-Marktes rund 2,6 Billionen USD übersteigen. Infolge dieser Entwicklung erließ der „Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses“ ein neues E-Commerce-Gesetz („ECL“), welches seit dem 1 Januar 2019 in Kraft getreten ist.

Das ECL umfasst grundsätzlich alle Unternehmen, die Waren verkaufen oder Dienstleistungen über das Internet anbieten. Ausgenommen sind Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen sowie

Videoprogramme, Publikationen und Kulturprodukte.

Im Wesentlichen beinhaltet das ECL folgende Schwerpunkte und Neuerungen:

  • Die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf alle E-Commerce Unternehmer. Hiervon sind seitdem auch nicht-traditionelle Einkaufskanäle, Messaging-Services wie WeChat und Streaming-Seiten umfasst.
  • Besteuerung- und Unternehmensregistrieung: E-Commerce Unternehmer müssen sich als Marktteilnehmer registrieren.
  • Schutz des geistiegen Eigentums („IP“): Der Inhaber der Rechte an geistigem Eigentum kann den Betreiber der Plattform über die von ihm begangene mögliche Verletzung informieren und ihn auffordern, die Verletzung des IP Rechts Kommt der Betreiber der Plattform dem nicht nach haftet dieser gegebenfalls gesamtschuldnerisch für alle entstandenen Schäden mit dem Verkäufer auf der Plattform. Das ECL sieht Strafen für Verstöße von 50.000 RMB bis zu 2 Milliarden RMB (ca. 6.500 bis 250 Mio. EUR) vor.
  • Verbraucherschutz: Der Betreiber der Plattform muss sicherstellen, dass die gelieferten Waren oder Dienstleistungen den Anforderungen an die Personen- oder Sachsicherheit Andernfalls haften sie gesamtschuldnerisch mit dem Verkäufer auf der Plattform.
  • Schutz von persönlichen Daten: Die Betreiber der Plattform sollten die Nutzung der Benutzerdaten transparent darlegen.

Diese Neuerungen sind dementsprechend auch im Falle einer Firmengründung im Bereich des E-Commerce zu beachten.

  1. Formen des Onlinehandels

Aufgrund dieses rasanten Wachstums ist der chinesi­sche E-Commerce-Sektor auch für ausländi­sche Investoren von großer Bedeu­tung. Hersteller können ihre Produkte über Online-Handelsplattformen Dritter oder durch Gründung eines eigenen Online-Shops in China vertreiben.

Im Folgenden werden zunächst die Vor- und Nachteile sowie die praktische Umsetzung beider Al­ternativen dargestellt.

  1. Verkauf über Plattform Dritter

Ein leichterer, aber i.d.R. mit höheren Kos­ten verbundener Einstieg ausländischer Un­ternehmen in den chinesischen Onlinemarkt bietet die Nutzung einer bereits existieren­den Onlinehandelsplattform.

Das ECL definiert diese Form wie folgt: Betreiber auf Plattformen sind Dritte, die ihre Waren oder Dienstleistungen auf den jeweiligen Plattformen anbieten. Zum Beispiel ein Anbieter, der einen Online-Shop auf TMall betreibt.

Die ECL definiert einen Plattformbetreiber wiederum als jede juristische Person oder nicht eingetragene Organisation, die den Parteien einer E-Commerce-Transaktion virtuelle Geschäftsräume, Transaktionsabgleich, Informationsfreigabe und andere Dienstleistungen zur Verfügung stellt, damit sie unabhängige Transaktionstätigkeiten durchführen können. Als Beispiel ist hier die Seite Taobao.com zu nennen, die sich an Alibaba anschließt.

Die Vorteile hierbei sind u.a., dass

  • von bereits vorhandenen Strukturen profitiert werden kann, insbeson­dere vom hohen Kundenverkehr sowie zentralen Marketing-Programmen etc. und
  • die Einrichtung relativ einfach ist und innerhalb von 2-3 Wochen er­folgen kann.

Die Nachteile sind jedoch u.a.:

  • Für die Nutzung von bspw. Tmall fallen Kosten an, u.a. ein security deposit (7.500 USD oder 25.000 USD), an­nual fee (4.500 oder 9.000 USD) und eine commission fee für jeden Verkauf (2 – 5 %). Desweiteren muss ein Konto des Onlinebezahlsystems Alipay einge­richtet werden. Für jede Transakti­on fällt eine Alipay Service Fee H.v. ca. 1 % an.
  • Das ausländische Unternehmen unterliegt strengen Preissetzungs-regelungen.
  • Kundendaten bleiben im Besitz des Marktplatzes/Betreibers.
  • Die eigenen Waren werden unmit­telbar neben konkurrierenden Produkten angeboten.

Für eine erfolgreiche Anmeldung bei Tmall müssen ausländische Unternehmen u.a. fol­gende Voraussetzungen erfüllen:

  • Das ausländische Unternehmen muss ordnungsgemäß im Heimat­staat registriert sein.
  • Es muss bereits eine Handelstätigkeit im Heimatstaat existieren und nach­gewiesen werden. Tmall verlangt ei­ne Markttätigkeit von mehr als 2 Jah­ren sowie jährliche Verkäufe im Um­fang von über 10 Mio. USD.
  • Das Unternehmen muss Inhaber der der zu verkaufenden Marken oder autorisierter Vertragshändler sein.
  • Die Produkte müssen im Einklang mit chinesischem Recht (insb. Ver­braucherschutzvorschriften) angebo­ten werden; Produktbeschreibun­gen sind z.B. in chinesischer Sprache zu verfassen.
  • Lieferungen können direkt vom aus­ländischen Sitz oder über in China belegene Warenlager erfolgen und müssen innerhalb von 120 Stunden nach Bestellung versendet werden.
  • Es muss jedoch ein fester Standort in China für die Abwicklung von Re­touren eingerichtet werden.

Die größte chinesische B2C-Plattform mit einem Marktanteil von über 50 % ist Tmall. Im September 2015 wurde bekannt, dass der deutsche Handelskonzern Metro ne­ben seinen bereits bestehenden 80 Groß­märkten in China einen Online-Shop bei Tmall eingerichtet hat und hierüber zunächst ca. 100 eigene Produkte vertreibt. Zudem ist eine enge Kooperation in den Bereichen Be­schaffung, Logistik und Datenanalyse geplant.

  1. Verkauf über eigenen Online-Shop

Die Einrichtung eines eigenen Online-Shops hat gegenüber der Anmeldung bei einer Drittplattform folgende Vorteile:

  • Es kann eine direkte Verbindung zwischen Hersteller und Endkunden hergestellt werden, ohne von Zwischenhändlern abhängig zu sein.
  • Der Hersteller kann unmittelbar über die Kundendaten verfügen und seine eigene Geschäftspolitik be­stimmen, z.B. in Bezug auf Wer­bung, Kundenservice und Gewähr­leistung etc.
  • Das eigene Produkt kann exklusiv angeboten werden und geht nicht als eines von vielen Angeboten un­ter.
  • Ohne Zwischenhändler erhöht sich die Gewinnspanne.
  • Markenpiraterie kann eher vermie­den werden, da oft die Zwischen­händler die Marke in China für sich registrieren.

Zu den Nachteilen gehören:

  • Es besteht kein Zugang zu bereits vorhandenem Kundenverkehr.
  • Das Kundenvertrauen muss erst noch hergestellt werden (durch Mar­ketingmaßnahmen etc.).
  • Die Errichtung eines eigenen Onli­ne-Shops ist sehr aufwendig (Instal­lation von technischen Einrich­tungen, Zahlungssystem, Kunden­service/Live-Support, Lieferungssys­tem etc.).

Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines eigenen Online-Shops sind u.a.:

  • Gründung einer in China belegenen Tochtergesellschaft mit physischer Präsenz als
  • Erstellung einer Webseite, auf der ausschließlich eigene Produkte ange­boten werden.
  • Anmeldung beim Ministerium für Industrie und Informations-technologie („MIIT“), die sog. „ICP (Internet Content Provider) Registrati­on“.
  • Für die Lieferung muss entweder ei­ne weitere, separate Tochtergesell­schaft in China gegründet werden, welche wiederum eine besondere tranportation license zu beantragen hat, oder der Lieferprozess wird auf externe Spediteure (wie EMS, TNT etc.) aus­gelagert.
  • Onlinezahlungssysteme wie AliPay, TenPay oder PayPal müssen einge­richtet werden und sind mit entspre­chenden Kosten verbunden (z.B. setup fee, transaction fees).

Seit dem 19. Juni 2015 machte das MIIT in seiner Notice No. 196 bekannt, dass ab sofort die Beteiligungs-Beschränkung für ausländische Investoren (von höchstens 50%) nicht mehr gilt, sodass ausländi­sche Unternehmen nunmehr 100%ige Toch­tergesellschaften im Bereich „Operating E-Commerce Services“ gründen können, sog. wholly-foreign owned enterprises („WFOE“). Vormals war der Zusammenschluss mit chinesischen Investoren innerhalb einer sog. foreign-invested commercial enterprise (FICE) nötig.

Diese Erleichterung wurde bereits zuvor seit Januar 2015 im Rahmen eines Modell­versuchs in der Shanghai Free Trade Zone ein­geführt.

Anforderungen:

  • Gemäß den neuen Regelungen müssen solche WFOEs als sog. foreign-invested tele­communication companies in China registriert werden.
  • Der Investor muss dazu nachweisen, dass er im Bereich E-Commerce bereits über ge­nügend praktische Erfahrung im Ausland verfügt.
  • Unter diesen Voraussetzungen erlangt der Investor sodann die erforderliche VATS (value added telecommunication bussiness) Permit in Form der sog. online data pro­cessing and transaction services permit („OTPS Permit“).

3. Rechtliche Entwicklung

Die chinesische Regierung möchte die Ent­wicklung des E-Commerce-Sektors fördern und ist bemüht, diesen effizienter zu gestal­ten sowie die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen. Dabei soll vor allem auch der Marktzugang für ausländische Investoren erleichtert werden.

Am 4. Mai 2015 hat das höchste Verwal­tungsorgan Chinas, der Staatsrat, ein neues Strategiepapier veröffentlicht, wonach die einzelnen Ministerien beauftragt werden, bis 2020 Richtlinien zur Optimierung, Auswei­tung und Liberalisierung des E-Commerce-Marktes zu entwickeln. Die Reformen sollen nicht nur den Handel selbst, sondern auch die damit verbunden Finanzdienstleistungen sowie die Logistiksteuerung etc. verbessern.

Aufgrund des seit 1. Januar in Kraft getretenen ECL sind für die Gründung oder Nutzung von E-Commerce-Plattformen insbesondere die neuen Regelungen hinsichtlich der Haftung zu beachten. Wie eingangs bereits dargestellt beinhaltet das ECL neue Bestimmungen hinsichtlich des Schutzes von geistigen Eigentums („IP“), die Stärkung von Verbraucherrechten sowie hinsichtlich der Verwendung von persönlichen Daten.

  • Das ECL gibt dem Inhaber des IP die Möglichkeit, Rechtsverstöße beim Betreiber der Plattform direkt anzuzeigen. Der Plattformbetreiber ist verpflichtet den Verstoß unmittelbar zu prüfen und gegebenfalls die IP-Verletzung zu beheben oder durch den Dritten beheben zu lassen. Kommt er dem nicht nach, begibt er sich in die Gefahr der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Dritten, der auf der Plattform agiert. Zudem riskiert der Plattformbertreiber eine Strafe von RMB50,000 bis zu RMB 2 Millionen (ca. 6.500 bis 250 Mio. EUR).
  • Die Verbraucherrechte wurden durch das ECL dahingehend gestärkt, dass die Betreiber auf der Plattform sicherstellen müssen, dass die Waren nicht gegen geltende Gesetze verstoßen oder die Interessen der Verbraucher anderweitig missachten. Zudem haften die Betreiber auf der Plattform für die Risiken des Versendungsverkaufs – es sei denn, dass der Verbraucher selbst einen anderen Logisitdienstleister gewählt hat.
  • Das ECL legt besonderen Wert auf den Schutz personenbezogener Daten. Dementsprechend müssen diese Unternehmen die Benutzerdaten speichern. Die E-Commerce-Betreiber sind verpflichtet, die Nutzung und Löschung von Nutzerdaten transparent zu machen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die zuständigen Behörden durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verpflichtet werden können, die relevanten Daten an sie zu übermitteln.
  • Zudem muss jeder E-Commerce-Betreiber eine Geschäftslizenz erwerben und sich bei der Steuerbehörde anmelden. Die ECL legt fest, dass diese Lizenz und die Lizenzinformationen immer online gut sichtbar sein müssen. Ziel der Verordnung ist es, die Situation zu vereinfachen, damit IP-Inhaber die Richtigkeit von Angeboten jederzeit überprüfen und gegebenenfalls ihre Rechte durch eine Klage geltend machen können. Diese sichtbaren Informationen sind vergleichbar mit einem „Impressum“ und den in diesem Zusammenhang auf einer Website, z.B. in Deutschland, veranschaulichten Pflichtangaben zu den Verantwortlichen.

Der grenzüberschreitende Onlinehandel soll zudem u.a. durch die folgenden Maßnahmen gefördert werden:

  • Traditionellen chinesischen Unter-nehmen soll finanzielle Unterstützung für die Beteiligung am internationalen Onlinehandel gewährt werden, um sich z.B. an Unternehmen in den USA oder Eu­ropa zu beteiligen.
  • Des Weiteren soll die Entwicklung des in­ternationalen Onlinehandels durch Erleich­terungen in den Bereichen Zoll, Inspektion, Quarantäne und Steuern gefördert werden.
  • Chinesische Banken werden dazu ange­halten, Zahlungen im internationalen Onli­nehandel zu unterstützten. Dabei soll die Möglichkeit einer Geschäftsabwicklung in chinesischer Währung (RMB) flächendeckend eingeführt werden.
  1. Zusammenfassung

Zurzeit findet in China ein tiefgreifender Po­litikwechsel im Wirtschaftssektor des On­linehandels statt. Die chinesische Regie­rung hat mit den neuen Reformen deutlich ihren Willen zum Ausdruck gebracht, den E-Commerce-Markt weiter zu öffnen. Dadurch ergeben sich auch für deutsche Unterneh­men und Investoren neue Möglichkeiten, das Potential dieses boomenden Marktes zu nutzen. Zudem hat mit dem Inkraftreten des ECL China im Bereich des E-Commerce-Sektors einen großen Schritt in Richtung Rechtssicherheit sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer gemacht. Insbesondere für den Schutz von geistigem Eigentum hat das ECL zumindest in der Theorie einen geordneteren Rahmen geschaffen. Auf jeden Fall ist auch der Kontrollmechanismus hervorzuheben, der durch die gesamtschuldnerische Haftung von Operateur und Verkäufer geschaffen wurde. Davon profitieren nicht nur die Verbraucher, sondern auch die IP-Inhaber. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die neuen Mechanismen in der Praxis funktionieren und in welchen Fällen noch Verbesserungen erforderlich sind. Insbesondere kleine Plattformen werden Probleme bei der Umsetzung der neuen Anforderungen und deren ordnungsgemäßen Umsetzung haben. Dies könnte die nachhaltige Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen behindern und damit die bereits bestehende Marktbeherrschung großer E-Commerce-Anbieter weiter fördern.

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