1. Einleitung
Beim Aufbau von Vertriebsstrukturen ist auch in Thailand der Einsatz eines Handelsvertreters regelmäßig der kostenschonendste Weg, um sich kurzfristig einen Zugang zum thailändischen Markt zu verschaffen. In Ermangelung näherer Kenntnis des thailändischen Rechts schließen Unternehmen oft vorschnell Verträge nach deutschem Recht ab und begründen so beispielsweise einen Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, der nach thailändischem Recht nicht gegeben wäre. Vor diesem Hintergrund geben wir im Folgenden einen Überblick über das thailändische Handelsvertreterrecht.
2. Ausgangssituation
Die Einschaltung eines Handelsvertreters als erste Stufe des Marktzugangsbringt auch in Thailand zunächst erhebliche Kostenvorteile mit sich. Denn auf diesem Wege lassen sich Betriebskosten für die Gründung und Unterhaltung einer eigenständigen rechtlichen Präsenz im Zielland einsparen. Daneben lässt sich das Erfolgsrisiko zumindest teilweise auf den Handelsvertreter verlagern.
Das thailändische Recht enthält, anders als das deutsche Recht, keine expliziten Regelungen bezüglich der Rechtsfigur des Handelsvertreters. Vielmehr ist nach thailändischem Recht für den Handelsvertreter auf die in Sec. 797 ff. des Civil and Commercial Code (CCC) aufgeführten allgemeinen Regelungen zum Recht der Stellvertretung abzustellen.
Aufgrund dieser eher schwachen und sehr allgemein gehaltenen gesetzlichen Ausgestaltung des Handelsvertreterrechts bedarf der Handelsvertretervertrag, soweit er thailändischem materiellem Recht unterliegt, einer besonders sorgfältigen Gestaltung.
3. Vertragsschluss
Nach Sec. 797 ff. CCC ist der Vertragsschluss mit einem Vertreter und somit auch mit einem Handelsvertreter grundsätzlich formfrei.
Bedarf das vom Handelsvertreter zu schließende Geschäft einer bestimmten Form, so ist diese auch für den Abschluss des Handelsvertretervertrags maßgeblich (Sec. 798 CCC). So muss beispielsweise der Handelsvertretervertrag schriftlich abgeschlossen werden, wenn auch das spätere Vertretergeschäft der Schriftform bedarf.
Trotz der generellen Formfreiheit des Handelsvertretervertrags ist bereits aus Gründen der Beweisführung der schriftliche Vertragsschluss zu empfehlen. Im Übrigen ist steuerrechtlich zu beachten, dass auf Stellvertreterverträge (und damit auch Handelsvertreterverträge) eine sog. Stamp Duty erhoben wird.
Die Erfahrung zeigt, dass Gerichte im Fall des Nichtvorliegens eines schriftlichen Vertrags oftmals zugunsten des Handelsvertreters entscheiden. Vor diesem Hintergrund sollte die Schriftform auch bei Nachträgen gewahrt werden.
4. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Die Sec. 807 bis 825 CCC regeln die Rechte und Pflichten zwischen Handelsvertreter und Unternehmer:
a) Pflichten des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer
Die Sec. 807 bis 814 CCC regeln die Pflichten des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer.
Es bestehen, wie im deutschen Recht, Informations- und Interessenwahrungspflichten, wobei der thailändische Handelsvertreter grundsätzlich weisungsgebunden ist (Sec. 807 CCC).
Ähnlich wie im deutschen Recht bestehen auch Herausgabepflichten, wonach der Handelsvertreter dem Unternehmer jegliches Geld und Eigentum sowie alle Rechte, die er durch das Vertretergeschäft erlangt hat, herausgeben muss (Sec. 810 CCC).
Sec. 811 CCC regelt einen speziellen Zinsanspruch des Prinzipals für den Fall, dass der Handelsvertreter Geld, das er dem Unternehmer hätte übergeben oder für diesen hätte verwenden sollen, für
sich selbst verwendet hat. Der Handelsvertreter schuldet dann Zinsen von dem Tag, von dem an er das Geld für sich selbst verwendet hat. Der Zinssatz hierfür beträgt momentan 7,5 % p.a. (Sec. 7 CCC).
Schließlich besteht eine allgemeine Einstandspflicht des Handelsvertreters für etwaige Schäden, die er durch schuldhaftes Verhalten, die Nichtausführung des Auftrags oder durch Überschreitung seiner Vollmacht verursacht hat (Sec. 812 CCC).
b) Pflichten des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter
Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Durchführung des Vertretergeschäfts notwendigen Geldbeträge zur Verfügung zu stellen (Sec. 815 CCC). Weiterhin muss der Unternehmer dem Handelsvertreter zinspflichtig (7,5 % p.a.) alle getätigten notwendigen Ausgaben erstatten sowie ihn von allen für das Vertretergeschäft eigegangenen notwendigen Verpflichtungen freistellen und etwaige Schäden ersetzen, die der Handelsvertreter ohne eigenes Verschulden erlitten hat (Sec. 816 CCC).
Ferner ist es dem Handelsvertreter untersagt, im eigenen Interesse mit sich selbst oder einem Dritten Geschäfte abzuschließen (Sec. 805 CCC).
Für die Praxis ist relevant, dass der Handelsvertreter von einem Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Unternehmer bezüglich solcher Gegenstände Gebrauch machen kann, die er im Rahmen des Vertretergeschäfts erlangt hat, bis ihn der Unternehmer umfassend in Bezug auf das zugrunde liegende Vertretergeschäft entlohnt hat (Sec. 819 CCC).
c) Pflichten des Unternehmers und des Handelsvertreters gegenüber dritten Personen
Grundsätzlich wird der Unternehmer durch die Handlungen des Handelsvertreters oder dessen Untervertreter persönlich verpflichtet (Sec. 820 CCC).
Ferner kennt das thailändische Vertreterrecht die Rechtsfiguren der Anscheins- und Duldungsvollmacht. Sec. 821 CCC regelt die Duldungsvollmacht, sodass der gutgläubige Dritte geschützt ist, soweit der Unternehmer bewusst eine nicht autorisierte Person als seinen Vertreter auftreten lässt. Sec. 822 CCC regelt die Anscheinsvollmacht, wonach auch bei Überschreitung der Vollmacht durch den Vertreter ein Vertrag zwischen Unternehmer und Drittem zustande kommt, wenn der Unternehmer dem gutgläubigen Dritten durch sein Verhalten dazu Anlass gab, auf eine bestehende Vollmacht zu vertrauen.
Handelt der Vertreter jedoch ohne jegliche Vollmacht, so haftet er – wie nach deutschem Recht – dem Dritten gegenüber persönlich (Sec. 823 CCC).
Insbesondere für den Fall, dass ein deutscher Unternehmer einen thailändischen Handelsvertreter beauftragt, ist nach Sec. 824 CCC zu beachten, dass der Handelsvertreter stets persönlich haftet, wenn der Unternehmer seinen (Wohn-) Sitz im Ausland hat, soweit dies nach der Natur des Vertrags möglich ist.
Eine vom deutschen Recht abweichende Regelung findet sich in Sec. 825 CCC, wonach der Unternehmer bis zu seinem Einverständnis an solche Verträge nicht gebunden ist, die der Handelsvertreter aufgrund der Gewährung eines persönlichen Vorteils durch den Dritten geschlossen hat.
5. Vergütung und Provision
Eine Vergütung des Unternehmers an den Handelsvertreter wird nur dann geschuldet, wenn diese ausdrücklich vertraglich vereinbart ist, sich aus dem regelmäßigen Verhalten der beiden Parteien oder dem Handelsbrauch ergibt (Sec. 803 CCC). Selbst in diesen Fällen ist die Vergütung, soweit vertraglich nicht anders vereinbart, erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrags fällig (Sec. 817 CCC).
Dies steht im Gegensatz zum deutschen Recht, wonach der Handelsvertreter grundsätzlich einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB hat, der regelmäßig bereits nach der Beendigung des Geschäfts fällig ist (§ 87a Abs. 1 HGB).
Schließlich ist für die Praxis bedeutsam, dass das thailändische Handelsvertreterrecht – im Gegensatz zum deutschen Recht (§ 89b Abs. 1 HGB) – keinen Ausgleichsanspruch nach Vertragsende vorsieht. Da das Gesetz keine ausdrücklichen Regelungen zu Abfindungszahlungen oder Vertragsstrafen enthält, empfiehlt es sich grundsätzlich, diese Aspekte vertraglich zu regeln.
6. Untervertretung
Der Handelsvertreter muss in Thailand zwar grundsätzlich persönlich handeln. Es kann jedoch in Absprache mit dem Unternehmer ausnahmsweise eine Untervertretung zugelassen werden (Sec. 808 CCC). In einer solchen Konstellation bestehen die jeweiligen Ansprüche direkt zwischen Unternehmer und Untervertreter (Sec. 814 CCC). Im Falle einer Untervertretung kann der Unternehmer gegenüber dem eigentlichen Handelsvertreter Ansprüche grundsätzlich nur geltend machen, wenn dieser den Untervertreter beauftragt hat, von der Untauglichkeit oder der Unzuverlässigkeit des Untervertreters wusste und es unterlassen hat den Auftraggeber hierüber zu informieren (Sec. 813 CCC).
Dies steht im Gegensatz zum deutschen Recht, wonach der Hauptvertreter dem Untervertreter grundsätzlich allein auf die Zahlung der Provision und einen etwaigen Ausgleichsanspruch haftet, soweit der Vertrag nicht unmittelbar zwischen dem Unternehmer und dem Untervertreter geschlossen wurde. Dies gilt nach deutschem Recht selbst dann, wenn der Untervertreter für das Unternehmen Geschäftsabschlüsse vermittelt.
7. Vertragsbeendigung
Der Handelsvertretervertrag unterliegt keiner gesetzlichen Mindestlaufzeit, sodass er von beiden Seiten zu jeder Zeit beendet werden kann (Sec. 826 und 827 CCC).
Jedoch ist hierbei zu beachten, dass eine Vertragsbeendigung zur Unzeit, die die andere Partei unverhältnismäßig benachteiligt, Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann, soweit die Vertragsbeendigung im konkreten Fall nicht unausweichlich notwendig war (Sec. 827 (2) CCC).
Zudem endet der Handelsvertretervertrag, soweit dies nicht ausdrücklich anders vereinbart ist oder der Natur des Rechtsgeschäfts widerspricht, sobald eine Partei tot, insolvent oder geschäftsunfähig ist. Ist dies seitens des Unternehmers der Fall, muss der Handelsvertreter dafür Sorge tragen, die Interessen des Unternehmers zu schützen, bis dessen Erben oder Stellvertreter diese Interessen schützen können (Sec. 828 CCC).
Im Falle des Todes, der Insolvenz oder der Geschäftsunfähigkeit des Handelsvertreters muss dessen Erbe oder Vermögensverwalter den Unternehmer hierüber informieren und die notwendigen Schritte einleiten, um die Interessen des Unternehmers zu schützen, bis dieser selbst dazu in der Lage ist (Sec. 829 CCC).
Zu beachten ist im Rahmen der Vertragsbeendigung, dass sich keine Partei gegenüber einem Dritten auf eine solche Beendigung berufen kann, soweit der Dritte gutgläubig auf einen bestehenden Handelsvertretervertrag vertraut hat (Sec. 831 CCC).
Schließlich ist der Handelsvertreter gegenüber dem Unternehmer verpflichtet, auf dessen Nachfrage jede schriftlich erteilte Vollmachtsurkunde herauszugeben (Sec. 832 CCC).
8. Anwendbares Recht und Gerichtsstand
Insbesondere für den Fall, dass ein deutscher Unternehmer einen thailändischen Handelsvertreter beauftragt, stellt sich die Frage, ob in dieser Konstellation thailändisches oder deutsches Recht Anwendung findet und welches vorteilhafter ist. Zusätzlich fragt sich, welche Gerichte zuständig sind.
a) Anwendbares Recht
Die Parteien sind grundsätzlich frei in ihrer Rechtswahl und können vertraglich vereinbaren, welches Recht sie für anwendbar erklären wollen.
Wurde eine solche vertragliche Vereinbarung nicht getroffen, so stellen die deutschen Gerichte für die Frage des anwendbaren Rechts regelmäßig auf das Recht des Landes ab, in dem der Handelsvertreter tätig ist. Deutsche Gerichte würden daher bei einem thailändischen Handelsvertreter grundsätzlich nach thailändischem Recht entscheiden.
Im Gegensatz dazu beurteilen thailändische Gerichte die Frage des anwendbaren Rechts nach Sec. 13 des Conflict of Laws Act B.E. 2481 (1938) (Conflict of Laws Act). Nach dieser Regelung richtet sich das anwendbare Recht, soweit keine Vereinbarung hierüber getroffen wurde, zunächst nach der Nationalität der Parteien. Bei unterschiedlicher Nationalität soll sich das anwendbare Recht nach dem Ort richten, an dem der Vertrag geschlossen wurde. Wurde der Vertrag fernschriftlich geschlossen, so ist der Ort maßgebend, an dem die Annahmeerklärung dem Anbietenden zugeht. Ist schließlich selbst dieser Ort nicht zu ermitteln, richtet sich das anwendbare Recht nach dem Ort, an dem der Vertrag ausgeführt wird.
Für den Fall, dass ein deutsches Unternehmen einen fernschriftlichen Vertrag mit einem thailändischen Handelsvertreter schließt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass auf diesen Vertrag deutsches Recht Anwendung findet. Denn der Ort, an dem dem antragenden deutschen Unternehmen die Annahme des Handelsvertreters zugehen wird, wird meist Deutschland sein.
Wie oben bereits dargelegt, ist das deutsche Handelsvertreterrecht für den Unternehmer eher nachteilig. Danach stehen dem Handelsvertreter grundsätzlich bereits ein Provisionsanspruch bei Geschäftsbeendigung (§§ 87 ff. HGB) sowie ein Ausgleichsanspruch bei Vertragsbeendigung (§ 89b HGB) zu. Der Provisionsanspruch besteht demgegenüber nach thailändischem Recht erst mit der Beendigung des Handelsvertretervertrags. Ein Handelsvertreterausgleichsanspruch besteht nicht.
Folglich sollte aus Sicht des Unternehmers darauf geachtet werden, dass thailändisches Recht zur Anwendung gelangt. Dies kann am einfachsten durch eine ausdrückliche vertragliche Regelung erreicht werden. Alternativ ist auch der vertragliche Ausschluss der Ausgleichsansprüche möglich, da die Ausführung außerhalb der Europäischen Union erfolgt.
b) Gerichtsstand
Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten außerhalb der Europäischen Union und somit außerhalb des Geltungsbereichs der EuGGVO gelten in Deutschland bzgl. des Gerichtsstandes grundsätzlich die §§ 12 ff. ZPO. Daher ist bei deutsch-thailändischen Streitigkeiten regelmäßig am (Wohn-)Sitz des Beklagten zu klagen.
Regelungen über die Gerichtszuständigkeit nach thailändischem Recht finden sich in Sec. 4 des Civil Procedure Code B.E. 2477 (CPC). Nach Sec. 4(1) des CPC kann der Kläger grundsätzlich zwischen dem (Wohn-)Sitz des Beklagten und dem Ort, an dem sich der Streitgegenstand befindet, wählen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob sich der (Wohn-)Sitz des Beklagten in Thailand befindet oder nicht.
Ist weder der Beklagte wohnhaft in Thailand bzw. hat seinen Sitz nicht in Thailand und befindet sich noch der Streitgegenstand in Thailand, während der Kläger entweder die thailändische Staatsbürgerschaft hat oder seinen (Wohn-)Sitz Thailand hat, kann der Kläger auch an seinem (Wohn-)Sitz klagen (Sec. 4 ter CPC).
Diese Regelungen bergen zwei Risiken: Zum einen kann der deutsche Unternehmer hierdurch gezwungen sein, in einer fremden Jurisdiktion, nämlich in Thailand, klagen zu müssen. Zum anderen werden deutsche Urteile in Thailand und thailändische Urteile in Deutschland nicht anerkannt, sodass der deutsche Unternehmer ein in Deutschland erstrittenes Urteil gegen den thailändischen Handelsvertreter in Thailand nicht vollstrecken kann.
9. Fazit
Das thailändische Recht weicht in Bezug auf die Regelung des Handelsvertreters erheblich vom deutschen Recht ab. Dies zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Provisions- und Abfindungszahlung. Während das deutsche Recht relativ klare und strenge Vorschriften in Bezug auf Provision und Abfindung zugunsten des Handelsvertreters vorsieht, ist das thailändische Recht demgegenüber unternehmerfreundlicher. Das thailändische Recht überlässt die Regelungen über Provision und Abfindung im Wesentlichen den Parteien.
Vor diesem Hintergrund sollten deutsche Unternehmer darauf achten, Handelsvertreterverträge unter thailändisches Recht zu stellen, um etwaige Ansprüche nach deutschem Recht auszuschließen. Der Handelsvertretervertrag sollte konkrete Regelungen insbesondere in Bezug auf Vergütung, Abfindung, Vertragsbeendigung sowie die Rechtswahl und den Gerichtsstand enthalten, um für etwaige Auseinandersetzungen klare Rechtspositionen zu schaffen.