1. Einleitung
Die Frage, welches Recht bei Rechtsbeziehungen mit Auslandsbezug anwendbar ist, richtet sich grundsätzlich nach dem Kollisionsrecht (oder auch Internationales Privatrecht = IPR) des Landes, in dem der Rechtsstreit anhängig gemacht wird. Zu beachten ist, dass abgesehen von Staatsverträgen, jedes Land grundsätzlich sein eigenes IPR hat. Kommt es zu einem Streit zwischen den Erben, so würde bspw. ein deutsches Gericht zunächst nach deutschem IPR entscheiden müssen, welches Recht bezüglich der Streitfrage anzuwenden ist. Verweist das deutsche IPR auf deutsches Recht, so ergeben sich keine Probleme. Verweist das deutsche IPR auf das thailändische Recht, so ist zu prüfen, ob das thailändische Kollisionsrecht die Verweisung annimmt, oder auf deutsches Recht zurückverweist. Im ersten Fall würde also ein deutsches Gericht thailändisches Recht anwenden, im letzteren bliebe es dagegen bei der Anwendung deutschen Rechts.
Im Folgenden soll das thailändische Erbrecht mit dem deutschen verglichen und die Anwendbarkeit der einzelnen Vorschriften im jeweils anderen Land überprüft werden. Zur besseren Verdeutlichung soll dabei folgende praxisrelevante Fragestellung dienen:
- Darf ein in Thailand lebender deutscher Staatsangehöriger thailändisches Erbrecht wählen (aus der thailändischen Perspektive)?
- In welcher Form und Sprache soll ein Testament nach thailändischem Recht erstellt werden?
2. Rechtliche Würdigung
I. Rechtswahl
a) Thailändische Rechtslage
Die Auslegung und Nichtigkeit einer letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem Recht des Wohnsitzes des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes:
Section 41 Conflict of Laws Act („CLA“):
Effects and interpretation of wills, as well as nullity of a will or of a clause in a will, are governed by the law of domicile of the testator at the time of his death.
Thailändisches Recht findet also auf diese Frage nur Anwendung, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes seinen Wohnsitz in Thailand hatte.
Der Wohnsitz („domicile“) ist legaldefiniert als der Ort, an dem eine Person hauptsächlich wohnt:
Section 37 Civil and Commercial Code („CCC“):
The domicile of a natural person is the place where he has his principal residence.
Im Falle von mehreren Wohnsitzen („residences“) wäre also zu prüfen, welche davon die Hauptwohnung („principal residence“) ist. Ausschlaggebend ist in diesen Fällen insbesondere die Aufenthaltsdauer. Da es weder gesetzlich geregelte noch höchstrichterlich festgelegte Kriterien gibt, können auch weiche Faktoren, wie z. B. der Lebensmittelpunkt, einfließen.
Nur wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass der Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes in Thailand war, findet also thailändisches Recht auf das Testament Anwendung. Ist dem so, gilt Folgendes:
(1) Testament
Sofern der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen errichtet hat, richtet sich die Wirksamkeit nach dem Recht des Staates seiner Staatsangehörigkeit bzw. nach dem Recht des Landes, an dem die Verfügung erstellt wurde:
Section 40 CLA:
A person may make a will according to the form prescribed by his law of nationality as well as according to the form prescribed by the law of the country where the will is made.
(2) Unbewegliches Vermögen
Für unbewegliches Eigentum (Immobilien) verweist das thailändische Recht grundsätzlich auf das Recht des Ortes, an dem das unbewegliche Vermögen belegen ist.
Section 37 CLA:
As far as succession concerns immovable property, the law of the place where such property is situated shall govern.
(3) Bewegliches Vermögen
Hinsichtlich beweglichen Vermögens ist auf das Recht am letzten Wohnsitz des Erblassers abzustellen:
Section 38 CLA:
As far as movable property is concerned, succession by statutory right or by will is governed by the law of domicile of the deceased at the time of his death.
b) Anwendung im Einzelfall
Um überhaupt zur Anwendung thailändischen Rechts zu kommen, ist entscheidend, dass der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen Wohnsitz in Thailand hat. Ist dem so, kann ein Testament grundsätzlich wirksam in Thailand erstellt werden, sofern der Erblasser die Regeln des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er hat, oder die des Landes in dem er seinen Wohnsitz hat, einhält.
Liegt nach thailändischem Recht ein wirksames Testament vor, gilt Folgendes:
- Unbewegliches Vermögen in Thailand wird gemäß thailändischem Erbrecht vererbt.
- Sofern bewegliches Vermögen (hierzu zählen auch Bankguthaben, Aktien, Fondanteile, etc.) betroffen ist, findet ebenfalls thailändisches Erbrecht Anwendung.
- Auf unbewegliches Vermögen in Deutschland ist deutsches Recht anwendbar, da deutsches IPR die Verweisung annimmt und nicht nach Thailand zurückverweist.
Sofern unbewegliches Vermögen in Deutschland und unbewegliches Vermögen in Thailand und/oder bewegliches Vermögen zur Erbmasse gehören, kann es unter Umständen zur sogenannten „Nachlassspaltung“ kommen.
Während die thailändischen Immobilien und etwaiges bewegliches Vermögen (auch Bankguthaben, Fondanteile, Aktien) dem thailändischen Erbrecht unterliegen, findet auf etwaige deutsche Immobilien deutsches Erbrecht Anwendung. Dies hat zur Folge, dass bspw. Pflichtteilsansprüche bzgl. dieses oder dieser Immobilien bestehen, nicht aber bezüglich des Restvermögens.
Sofern das deutsche Recht (EU-ErbrechtsVO) eine Rückverweisung ins thailändische Recht vorsieht, würde diese nach thailändischem Recht angenommen:
Section 4 CLA:
Whenever the law of a foreign country is to govern and under that law it is the law of Thailand which shall be applied, the internal law of Thailand governs, and not the Thai rules on conflict of laws.
c) Empfehlung
Wegen möglicher Unsicherheiten bei der Bestimmung des Wohnsitzes, aber auch wegen der möglichen Nachlassspaltung sollte das Testament in einer Form erstellt werden, die beide Rechtsordnungen als ausreichend ansehen.
Möglich wäre für einen deutschen Staatsbürger beispielsweise die Unterzeichnung Beurkundung durch einen deutschen Notar. Um jegliche Unsicherheit auszuschließen, könnten im gleichen Termin auch noch zwei Zeugen unterschreiben, um auch dem thailändischen Recht genüge zu tun (s. unten). Notwendig ist dies aber eigentlich nicht, da das Testament gemäß thailändischem Recht wirksam erstellt werden kann, wenn es den Formvoraussetzungen des Landes genügt, dessen Staatsangehöriger der Erblasser ist.
2. Thailändisches Erbrecht
a) Form
Ähnlich wie im deutschen Recht kann der Erblasser durch Errichtung einer letztwilligen Verfügung (Testament) von Todes wegen u. a. eine Regelung hinsichtlich der Erbfolge treffen.
Die Errichtung eines Testaments kann u. a. erfolgen durch:
- schriftliche (auch maschinengeschriebene), mit Datum versehene Erklärung unterschrieben vom Erblasser unter Anwesenheit von mindestens zwei Zeugen:
Section 1656 CCC:
A will may be made in the following form, that is to say, it must be made in writing, dated at the time of making of will and signed by the testator before at least two witnesses present at the same time who shall then and there sign their names certifying the signature of the testator. […]
oder
- eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung:
Section 1657 CCC:
A will may be made by a holograph document, that is to say the testator must write with his own hand the whole text of the document, the date and his signature.
- Zusätzlich besteht die Möglichkeit, ein öffentliches Testament vor der zuständigen Behörde („Kramakarn Amphoe“) zu errichten:
Section 1658 CCC:
A will may be made by a public document, that is to say:
(1) the testator must declare to the Kromakarn Amphoe before at least two other persons as witness present at the same time what dispositions he wishes to be included in this will;
(2) the Kromakarn Amphoe must note down such declaration of the testator and read it to the latter and to the witnesses;
(3) the testator and the witnesses must sign their names after having ascertained that the statement noted down by the Kromakarn Amphoe corresponds with the declaration made by the testator;
(4) the statement noted down by the Kromakarn Amphoe shall be dated and signed by such official who shall certify under his hand and seal that the will has been made in compliance with the foregoing Subsections 1 to 3.
In allen genannten Fällen kann das Testament in einer beliebigen Sprache verfasst werden. Im Falle des öffentlichen Testaments dürfte es jedoch in der Praxis erforderlich sein, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, falls der Beamte der ausländischen Sprache nicht mächtig ist. Zudem ist zu beachten, dass sämtliche von der Behörde ausgestellten Dokumente in thailändischer Sprache ausgestellt werden.
Hierbei kann sich ein Problem bezüglich der Anerkennung ausländischer Testamentsformen ergeben. So ist beispielsweise die oben unter (i) genannte Testamentsform in Deutschland nicht anerkannt.
Es ist daher zu empfehlen, zusätzlich zum thailändischen Testament eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, die die in Deutschland belegenen Nachlassgegenstände (Immobilien) betrifft oder ein Testament zu erstellen, das den Anforderungen beider Länder entspricht. Denkbar wäre hier beispielsweise eine Beurkundung (nicht ausreichend ist eine Beglaubigung!) durch einen deutschen Konsularbeamten in Thailand bei Hinzuziehung von zwei Zeugen. Einzelheiten wären mit der Deutschen Botschaft in Bangkok zu klären.
Der Erblasser sollte, sofern er sich für ein separates Testament in Deutschland entscheidet, in seinem thailändischen Testament zusätzlich erwähnen, dass hinsichtlich des nicht erfassten Nachlasses (also der in Deutschland belegenen Immobilien) eine getrennte letztwillige Verfügung existiert.
b) Regelungsinhalt
Mit einem Testament kann der Erblasser nicht nur die Erbfolge regeln. Zusätzlich kann und sollte der Erblasser eine Person benennen, die für die Verwaltung des Nachlasses zuständig ist (lokaler Testamentsvollstrecker). Zu beachten ist dabei, dass diese Person mindestens einmal vor dem thailändischen Gericht erscheinen muss und deshalb reisewillig und auch -tauglich sein sollte. Hat der Erblasser keinen Testamentsvollstrecker eingesetzt, so wird ein Erbschaftsverwalter vom Gericht eingesetzt.
c) Pflichtteilsrecht
Ein dem deutschen Recht vergleichbares Pflichtteilsrecht existiert in Thailand nicht. Das bedeutet, dass die durch Verfügung von Todes wegen enterbten gesetzlichen Erben keine Ansprüche auf eine Mindestbeteiligung am Nachlass geltend machen können.
Die bereits oben erwähnte Nachlassspaltung hat zur Folge, dass die Erbfolge für jeden Nachlassteil nach dem maßgebenden Erbstatut gesondert zu beurteilen ist. Somit findet im vorliegenden Fall lediglich auf den dem deutschen Erbrecht unterliegenden Teil der Erbmasse (also die in Deutschland belegenen Immobilien) das deutsche Pflichtteilsrecht Anwendung.