Newsletter Nr. 249 (DE)

Die „Anti-Tax Avoidance Directive“ (ATAD-Richtlinie)
und die Reform des Außensteuergesetzes (AStG)

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I. Hintergrund

 

Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 21. Mai 2021 das: Anti- Tax Avoidance Directive Umsetzungsgesetz, (ATADUmsG). Das ATADUmsG dient dem deutschen Gesetzgeber zur Umsetzung der europäischen Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie „zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts[1]. Die Umsetzung führte zu zahlreichen Anpassungen des AStG, welche seit dem 01. Januar 2022 Anwendung finden.

Die Änderungen sollen dem Gesetzgeber nach insgesamt zur Vereinfachung, verbesserter Administrierbarkeit, Gewährleistung der Mobilität, Berücksichtigung der aktuellen EuGH-Rechtsprechung und Absicherung des Fiskalinteresses führen. Das Fiskalinteresse scheint dabei im Fokus der Änderung des AStG zu stehen. So hat der Gesetzgeber neben partiellen Erleichterungen, das AStG überwiegend verschärft.


II. Wegzugsbesteuerung § 6 AStG


1.Regelungszweck

 

Der Gesetzgeber möchte durch die Vorschriften des § 6 AStG die Steuerentstrickung im Rahmen eines Wohnsitzwechsels ins Ausland verhindern. Hierzu sollen stille Reserven in Form von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Sinne von § 17 EstG aufgedeckt werden.

Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG soll so verhindern, dass im Inland geschaffene Vermögenswerte, dem deutschen Besteuerungsrecht dauerhaft entzogen werden. Denn das Besteuerungsrecht am Gewinn aus dem Verkauf von privat gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft steht grundsätzlich dem Wohnsitzstaat zu. Ist der Wegziehende zu mindestens 1 % am Kapital einer Kapitalgesellschaft beteiligt, wird die Wertsteigerung seines Anteils als fiktiver Veräußerungsvorgang gewertet und unterliegt somit bereits im Zeitpunkt des Wegzugs der deutschen Einkommenssteuer.

2. Änderungen


a) Stundungsregelungen

Die Stundungsregelungen wurden durch die Änderung des AStG drastisch verschärft.

Bis zur Änderung des AStG profitierten unbeschränkt Steuerpflichtige beim Wegzug aus Deutschland in einen EU-/EWR-Staat von einer zinslosen, zeitlich unbefristeten, sowie sicherheitsleistungsfreien Stundungsmöglichkeit der geschuldeten Steuer aus dem fiktiven Veräußerungsvorgang.

Die Änderung des § 6 AStG führt nun zu einer deutlich restriktiveren Regelung. Die dauerhafte Stundungsmöglichkeit wurde durch die Änderung des AStG abgeschafft. Die Neufassung des § 6 AStG regelt nunmehr, dass die Steuer durch den Wegzug grundsätzlich sofort fällig wird. Auf Antrag kann die Steuerschuld in sieben gleichen Jahresraten entrichtet werden. Zwischen EU-/EWR- und Drittstaaten als Zuzugsstaaten wird zudem nicht mehr unterschieden.

Diese Verschärfung hat erhebliche Auswirkungen für den wegziehenden Gesellschafter. So kann die Neuregelung des § 6 AStG dazu führen, dass dem wegziehenden Gesellschafter der Wegzug unmöglich wird, sofern er seine Anteile nicht veräußert, um die Steuerlast zu tragen, oder er diese nicht mit seinen sonstigen Vermögenswerten befriedigen kann. Es bleibt indes abzuwarten, ob die Neuregelung verhältnismäßig und somit europarechtskonform ist.

Durch die Neuregelung besteht nunmehr ein erhöhter Bedarf an rechtmäßigen Gestaltungsmöglichkeiten, um das Steuerrisiko möglichst gering zu halten.

  • Sofern der Gesellschafter in einen EU-/EWR-Staat zieht, kann eine GmbH beispielsweise vor dem Wegzug in eine GmbH & Co. KG umgewandelt und nach dem Wegzug wieder in eine GmbH rückumgewandelt werden. Durch die Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft ist der Tatbestand des § 6 AStG bei Wegzug nicht mehr erfüllt. Für die tatsächliche Durchführung sollte sich der Steuerpflichtige fachlich beraten lassen, um durch den Umwandlungs-/Rückumwandlungsprozess neue Steuerrisiken und Kosten zu vermeiden.
  • Eine weitere Möglichkeit besteht ggf. darin, die Anteile an der GmbH zu stiften, um eine Familienstiftung zu gründen. Die Stiftung ist zwar eine Körperschaft, hat jedoch keine Gesellschafter, die an ihr beteiligt sein könnten. Dementsprechend ist der Tatbestand des § 6 AStG nicht erfüllt. Nach einer Sperrfrist von 7 Jahren kann der ehemalige Gesellschafter einen Kaufvertrag mit der Stiftung über die GmbH schließen. Der hieraus entstandene Veräußerungsgewinn für die Stiftung ist dann jedoch noch mit 1,5 % zu versteuern. Wird die Sperrfrist indes nicht eingehalten, führt dies zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns nach § 22 Abs. 1, Abs. 2 UmwStG i.V.m. § 16 EStG.

b) Persönliche Anwendbarkeit der Wegzugsbesteuerung

Die Neureglung der persönlichen Anwendbarkeit der Wegzugsbesteuerung ist Verschärfung und Erleichterung zugleich.

Bis zur Neuregelung galt die Veräußerungsfiktion nur für Personen, die im Laufe ihres Lebens bis zum Wegzug mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren. Dieser Ansatz wurde nun dahingehend verschärft, dass die Veräußerungsfiktion bereits mit sieben Jahren der Steuerpflichtigkeit in Deutschland angenommen wird. Jedoch als wiederum erleichterndes Merkmal muss der Steuerpflichtige diese sieben Jahre der Steuerpflicht nicht mehr im Laufe des Lebens, sondern innerhalb der letzten zwölf Jahre erfüllt haben.

Diese Neuregelung ist besonders für Entsendefälle relevant, insbesondere für Manager, die im Rahmen einer konzerninternen Entsendung befristet nach Deutschland entsandt werden und hierbei als Gehaltsbestandteile auch Aktien erhalten. Hier muss nun kalkuliert werden, ob sich eine Entsendung für einen Zeitraum von sieben Jahren und länger für den Entsendeten finanziell noch lohnt.

c) Vorübergehende Abwesenheit

Zugunsten des Steuerpflichtigen wird die Möglichkeit der Erstattung der Wegzugssteuer bei geplanter und tatsächlicher Rückkehr des Steuerpflichtigen von bisher fünf auf sieben Jahre verlängert. Dem Steuerpflichtigen wird zudem die Möglichkeit gewährt, diesen Zeitraum durch Antragsstellung auf zwölf Jahre zu verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht. Nach der alten Fassung des § 6 AStG, war die Verlängerung nur auf maximal zehn Jahre möglich.

Eine weitere Erleichterung besteht darin, dass die zuvor geforderte Glaubhaftmachung der Rückkehrabsicht nicht mehr erforderlich ist. Zudem wurde nach der alten Regelung das Vorliegen beruflicher Gründe gefordert, was in der Neufassung nicht mehr verlangt wird.

Eine Verschärfung besteht jedoch darin, dass die unbegrenzte Rückkehrmöglichkeit aus einem EU-/EWR-Staat des Steuerpflichtigen nunmehr entfällt.

III. Hinzurechnungsbesteuerung

 

§ 7 – 14 AStG

 1. Regelungszweck

Die Hinzurechnungsbesteuerung regelt die Besteuerung von Einkünften einer ausländischen Zwischengesellschaft beim inländischen Gesellschafter.

Der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass unbeschränkt steuerpflichtige Personen ihre passiven ausländischen Einkünfte, wie Zinsen und Dividenden auf eine steuer-rechtsfähige Gesellschaft, die ihren Sitz in einem Niedrigsteuerland hat und im Inland nicht steuerpflichtig ist, übertragen und dadurch der deutschen Besteuerung entziehen. Denn die Erträge der ausländischen Gesellschaft wirken sich nur dann für die inländische deutsche Besteuerung aus, wenn diese durch eine Ausschüttung an den in Deutschland Steuerpflichtigen gelangen und somit der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

Der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung verlangt somit das Vorliegen einer ausländischen Gesellschaft, die in einem Niedrigsteuerland passive Einkünfte erzielt und durch einen inländischen Gesellschafter beherrscht wird.

2. Änderungen

a) Verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA)

Vor der Änderung des AStG stellten verdeckte Gewinnausschüttungen stets Einkünfte aus aktiver Tätigkeit dar.  Im Grundsatz hat der Gesetzgeber an dieser Bewertung auch im Rahmen der AStG-Reform festgehalten und sieht verdeckte Gewinnausschüttungen grundsätzlich als aktiv an. Ausnahmsweise sind jedoch nunmehr einzelne Bezüge davon ausgenommen und werden als passive Einkünfte erfasst. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG werden Bezüge im Sinne von § 8b Abs. 1 KStG als passive Einkünfte qualifiziert, soweit diese das Einkommen der leistenden Gesellschaft gemindert haben, was bei verdeckten Gewinnausschüttungen der Fall ist.

Der Gesetzgeber hat durch § 8 Abs. 1 Nr. 7 lit. a) lit aa) AStG und speziell für die verdeckte Gewinnausschüttung in § 8 Abs. 1 Nr. 7 lit. a)  lit. bb) AStG Rückausnahmen in den Vertragstext einfließen lassen. So entspricht die verdeckte Gewinnausschüttung dann aktiven Einkünften, wenn sie das Einkommen der leistenden Gesellschaft verringert, aber das Einkommen der ausländischen Gesellschaft selbst erhöht hat, oder wenn sie das Einkommen einer der ausländischen Gesellschaft nahestehenden Person erhöht hat. In beiden Rückausnahmefällen darf die Einkommenserhöhung keiner niedrigen Besteuerung im Sinne von § 8 Abs. 5 AStG unterliegt.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich durch die nunmehr mögliche Qualifizierung der verdeckten Gewinnausschüttung als passive Einkünfte neue unmittelbare Steuerfolgen in Deutschland ergeben, was wiederum eine Verschärfung des deutschen Außensteuerrechts darstellt.

b. Mehrheitsbezogenes Beherrschungskonzept

Ursprünglich musste eine unbeschränkt steuerpflichtige Person zu mehr als 50 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sein, damit die Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung kam. Mit der Änderung des AStG wurde ein mehrheitsbezogenes Beherrschungskonzept eingeführt. Diese ist als charakteristische, faktische Beherrschung zu verstehen.] Denn das neue Beherrschungskonzept setzt voraus, dass der Steuerpflichtige selbst oder zusammen mit seinem verbundenen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 % der Stimmrechte oder des Kapitals hält bzw. einen Anspruch auf mehr als 50 % der Gewinne der ausländischen Gesellschaft hat.

Dies weitet den Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung erheblich aus. Denn nun kann grundsätzlich auch eine beschränkte Steuerpflicht im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG tatbestandsmäßig sein, wenn die Beteiligung an der Zwischengesellschaft durch eine inländische Betriebsstätte gehalten wird.

Gesellschafter mit Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften müssen insofern ihre Beteiligungsverhältnisse überprüfen und das Steuerrisiko neu bewerten.

 

IV. Verrechnungspreise § 1 AStG

1.Regelungszweck


Bei grenzüberschreitenden Transaktionen zwischen sich einander nahestehenden natürlichen oder juristischen Personen müssen dem Fremdvergleichsgrundsatz nach, die Verrechnungspreise so festgesetzt werden, wie dies bei einer vergleichbaren Transaktion zwischen unabhängigen Dritten zu marktüblichen Konditionen der Fall wäre. Diesem Grundsatz, welcher auch als „arm’s length prinicples“ bekannt ist, haben sich die OECD-Mitgliedsstaaten verschrieben, wo-durch sich dieser in fast allen deutschen DBA wieder findet und als eigenständiger gesetzlicher Korrekturmaßstab in § 1 AStG verankert ist.

2. Änderungen

Im Rahmen des ATADUmsG wurde der Kreis der nahestehenden Personen in § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 AStG erweitert. Dies stellt dahingehend eine Verschärfung dar, da nunmehr auch sogenannte hybride Beteiligungen/Finanzierungen erfasst werden können, die vorher nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 AStG fielen.

IV. Fazit


Die überwiegende Verschärfung des AStG führt zu teilweise erheblichen steuerlichen Risiken. Auslandsinvestitionen, der Wegzug aus Deutschland, die Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften und die Entsendung von Arbeitskräften nach Deutschland sind komplizierter geworden.

Es müssen neue Strategien entwickelt werden, welche den rechtlichen Rahmen nicht verletzen, aber innerhalb des Regelwerks den Steuerpflichtigen in eine möglichst günstige Position rücken. Diese Strategien sind ihrerseits wiederum rechtlich und steuerlich regelmäßig neu zu bewerten.

Ob alle Verschärfungen, insbesondere die der Wegzugsbesteuerung, auch künftig Bestand haben werden, bleibt abzuwarten, da es bereits unions- und verfassungsrechtliche Bedenken gibt.

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